Emmaus-Nikopolis

5. Man sagt, Emmaus-Nikopolis sei zu weit weg von Jerusalem, also sei es für die beiden Jünger unmöglich, am selben Tag nach Emmaus und zurück nach Jerusalem gegangen zu sein, besonders, wenn man in Betracht zieht, dass zur Zeit, als Jesus mit Kleopas nach Emmaus kam, „es schon bald Abend wurde und der Tag sich schon geneigt hatte" (Lk 24, 29).

Das Evangelium des Lukas sagt nicht, dass die Jünger, auf ihrem Weg zurück von Emmaus, Jerusalem am gleichen Tag erreichten; das wird nur durch den Vergleich des Textes von Lukas mit dem Bericht der Erscheinung Jesu an die Apostel am Osterabend im Evangelium nach Johannes hergeleitet. Gleichzeitig sollte beachtet werden, dass es physisch möglich ist, in einem Tag von Jerusalem nach Emmaus-Nikopolis und zurück zu gehen, und dies wurde mehrfach durch Erfahrung bewiesen (Siehe zum Beispiel: Les missions catholiques, 1890, S.S. 316-317, siehe hier; K.-H. Fleckenstein, M. Louhivuori, R. Riesner, Emmaus in Judäa, Brunnen Verlag, 2003, S. 209-211) . In alten Zeiten waren die Menschen daran gewöhnt, weite Strecken zu gehen, siehe zum Beispiel im Buch der Apostelgeschichte (Apg. 23, 23-32), von Lukas selbst geschrieben, wo mehrere hundert Soldaten Jerusalem um 9h abends verließen, nur um am nächsten Tag wiederzukommen, nachdem sie 120 km gegangen waren.

Eine interessante Bestätigung der Möglichkeit, Hin- und Rückreise von Jerusalem nach Emmaus an einem Tag zu bewältigen, kann man im Babylonischen Talmud, Traktat Pessachim 93b finden:

Ein [durchschnittlicher] Mensch gehe zehn Parasangen am Tage; fünf Mil von Anbruch der Morgenröte bis Sonnenaufgang und fünf Mil von Sonnenuntergang bis zum Hervortreten der Sterne; von den übrigen dreißig [gehe man] fünfzehn von morgens bis mittags und fünfzehn von mittags bis abends.

Der babylonische Talmud, L. Goldschmidt, Übers., Frankfurt am Main, 1967, 1996, Bd. 2. S. 608, siehe hier den originalen Text.

Zehn Parasangen entsprechen 40 Meilen, annähernd 60 km. Also konnten die Jünger, wenn sie Jerusalem früh am Morgen verließen, zu Mittag in Emmaus angekommen und spät nachts nach Jerusalem zurückgekehrt sein. Die Jünger könnten auch Esel geritten haben, um ihre Rückreise zu beschleunigen.

In Bezug auf den Ausdruck „der Tag neigt sich schon“, wurde dieser gebraucht, um den Nachmittag zu bezeichnen. Ein gutes Beispiel erscheint im Buch der Richter, Kapitel 19, wo ein Levit, der nach Betlehem kommt, um seine Nebenfrau zurückzubringen, eine Einladung von ihrem Vater erhält, über Nacht zu bleiben, denn „Sieh doch, der Tag geht zu Ende, und es wird Abend (Richter 19, 9). Der Levit weigert sich und beginnt, „mit seinen zwei gesattelten Eseln und seiner Nebenfrau und seinem Knecht fort“ zu gehen. Als sie nahe an Jerusalem waren, „war der Tag schon fast zu Ende gegangen“ (Vers 11) aber sie fuhren fort auf ihrem Weg, und der Sonnenuntergang erreichte sie nahe von Gibea, was bedeutet, dass sie, seitdem sie Betlehem verlassen hatten, als es „gegen Abend war“, bis zum Sonnenuntergang 15 km gegangen waren. Abhängig von der Jahreszeit geht die Sonne in Palästina ungefähr zwischen 5-6h abends unter, d.h., es kann angenommen werden, dass sie Betlehem ungefähr um 2h oder 3h nachmittags verlassen hatten.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Reise der Jünger nach Emmaus während des jüdischen Ostern stattfand, wenn Vollmond ist, was ihnen daher erlaubte, einen Teil ihrer Reise nach dem Sonnenuntergang zu machen.

Dasselbe wird durch einen anderen byzantinischen Text illustriert:

Frage: Wie konnte Johannes sagen, dass Christus sich selbst am Sonntag abends allen seinen Jüngern zeigte, außer dem Thomas (Joh 20, 19-24), während Lukas sagte, dass er nur dem Petrus erschienen sei, als Kleopas und sein Gefährte am Abend jenes selben Tages nach Jerusalem kamen, nachdem sie den Herrn in Emmaus gesehen hatten (Lk 24, 33-34)? Lösung: Nach den (heiligen) Frauen, ist es Petrus, dem Christus zuerst erschien, dann den Aposteln, nachdem, was Paulus sagt: „Er wurde von Kephas gesehen, dann von den Zwölf“ (1 Kor 15,5), ohne den Thomas zu zählen, der abwesend war, wohl aber Matthias und Justus (Apostelgeschichte 1, 22-23). Folglich erschien Christus dem Petrus, während Kleopas und sein Gefährte [noch] auf dem Weg zurück von Emmaus waren. Als sie von Emmaus zurückgekommen waren und den Aposteln erzählt hatten, wie sie ihn am Brotbrechen erkannt hatten, dann zeigte sich Christus allen von ihnen auf dem Zion, wie Lukas es bestätigt (Lk 24, 35-36). Man muss nicht erstaunt darüber sein, wenn sie am selben Tag von Jerusalem nach Emmaus und von Emmaus nach Jerusalem gingen. Es ist nicht geschrieben, dass es Abend war, als sie sich Emmaus näherten, sondern dass es gegen Abend war (Lk 24, 29) und dass der Tag sich neigte, z. B.: während der achten oder der neunten Stunde [ 2h oder 3h nachmittags]. Von der siebenten Stunde an [1h nachmittags] scheint sich die Sonne gegen Westen zu neigen. Dazu beschleunigte die Freude, das Wunder kundzutun, ihre Reise und noch dazu kamen sie sehr spät an. Wir haben in der Tat die Gewohnheit, die Zeit, die sich bis zu einer späten Stunde in die Nacht ausdehnt, als Abend [ὀψίας; siehe Joh 20, 19] zu bezeichnen. Da noch erschien Christus ihnen zusammen mit den anderen.

Hesychios von Jerusalem, Quaestiones, difficultas 57. Text vom Anfang des 5. Jh., PG XCIII, 1444, unsere Übersetzung, siehe den Originaltext hier.