Emmaus-Nikopolis

7. Warum sagt man, Emmaus bei Qubeibe oder Abu-Gosch sei?

Seit der Kreuzfahrerzeit wurden zusätzliche Orte als das biblische Emmaus verehrt: Qarjat al-'Anab (Abu Gosch) und später Qubeibe und vielleicht Bet-Ulma (Bethulme) neben Moza-Colonia (für letzteren siehe: M. J. Schiffers, Amwas, das Emmaus des hl. Lucas, Freiburg im Breisgau, 1890, S. 163-217, siehe hier; Vigouroux, Dictionnaire de la Bible, Bd. 2, Teil 2, Paris, 1912, Kolumne 1757-1758, siehe hier). Der Grund für die Entstehung dieser neuen Traditionen war ein allgemeiner Trend dieser Zeit, die heiligen Orte nahe voneinander an zugänglichen Straßen zu situieren. Die Identifizierung heiliger Orte wurde oft von den Reisenden selbst vorgenommen. So wurde im 12. Jh. der Hügel von Latrun in der Gegend von Emmaus-Nikopolis von einigen westlichen Pilgern als Modeïn bezeichnet. Allmählich dehnte sich diese Identifikation auf Emmaus aus, welches bis ins 19. Jh. als die Grabstätte der „sieben Makkabäischen Brüder“ galt, während Latrun vom Anfang 16. Jh. an zum Heim des guten Schächers wurde (Castellum boni Latronis).

Qarjat al-'Anab (Abu-Gosch), das biblische Kirjat-Jearim, wurde vom Ende des 12. Jh. und bis zur Mitte des 13. Jh. von einigen Kreuzfahrern als Emmaus bezeichnet (eine Überlieferung, die von den französischen Mönchen im 20. Jh. wiederaufgenommen wurde) und vom 16. Jh. bis zum 19. Jh. wurde es für den biblischen Ort Anathoth gehalten, den Geburtsort des Propheten Jeremia. Die Tradition, welche Emmaus nach Qubeibe verlegt hat, entstand wahrscheinlich im 13. Jh.. Sie war besonders während des 16. bis 17. Jh. populär und wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jh. durch Franziskaner wiederbelebt.

Weder Abu-Gosch noch Qubeibe trugen je den Namen „Emmaus“ im Munde der lokalen Bevölkerung und wurden auch von Orthodoxen oder anderen orientalischen Christen nicht als solches verehrt (außer vielleicht von denen, die besonders von ihren westlichen Brüdern beeinflusst waren). Abu Gosch befindet sich 13,5 km (73 Stadien), und Qubeibe 14,3 km (77 Stadien) weit von Jerusalem weg – offensichtlich von den mittelalterlichen Reisenden als Distanz von ungefähr 60 Stadien angenommen, wie es in den meisten Manuskripten des Lukasevangeliums erwähnt ist.

Nachdem sie mit der Erinnerung der Erscheinung Jesu in Emmaus verbunden wurden, wurden Abu-Gosch und Qubeibe auch als Orte des Sieges von Judas dem Makkabäer über die Griechen bezeichnet, da die christliche Überlieferung diese beiden Ereignisse nie voneinander getrennt hat. Heute zweifelt niemand daran, dass die Schlacht des Judas gegen das syrische Heer im Tal Ajalon in der Gegend von Emmaus-Nikopolis stattgefunden hat.

Die ursprüngliche Gleichsetzung von Abu-Gosch und Qubeibe mit dem biblischen Emmaus erschien daher nicht als Frucht einer historischen oder archäologischen Forschung, sondern als Frucht der Frömmigkeit westlicher Pilger während der Kreuzzüge und der Renaissance. Wenn auch andere Orte von Pilgern als das Emmaus des Neuen Testamentes befunden wurden, wurde Emmaus-Nikopolis weiterhin von beiden, den orthodoxen und den katholischen Christen, als das Emmaus des Evangeliums verehrt. Dafür gibt es verschiedene Berichte von Zeugen, einschließlich des russischen Abtes Daniel, der Emmaus 1106 besuchte, eines griechischen Pilgers namens Johannes Phocas, der es 1185 besuchte, und des Franziskaners Antonio de Medina, Pilger von 1485 (siehe: Epoche der Kreuzzüge und Epoche der Mameluken).

Über die Identifikation von Emmaus während der Kreuzfahrerzeit siehe: V. Guérin, Description de la Palestine, Paris, 1868, S. 348-361, M. J. Schiffers, Amwas, das Emmaus des hl. Lucas, Freiburg im Breisgau, 1890, S. 135-172, siehe hier; Vincent & Abel, Emmaüs, Paris, 1932, S. 381-402, siehe hier; D. Baldi, Enchiridion Locorum Sanctorum, Jerusalem, 1955, S. 706-719; Sabino de Sandoli, The Sanctuary of Emmaus, Jerusalem, 1966; M. Benvenisti, The Crusader of the Holy Land, Jerusalem, 1970, S. 343-351; A History of the Crusades, K. Setton, Herausg., Wisconsin, 1985, Bd. IV, S. 112-113, 259-260 (siehe hier); D. Pringle, The Churches of the Crusader Kingdom of Jerusalem, Cambridge, 1995, Bd. 1, S. 52-59, siehe hier; Abu-Gosh, Editions du Gulf Stream, 1995; V. Michel, Le complexe ecclésiastique d‘Emmaüs-Nicopolis, Paris, Sorbonne, 1996-97, S. 46-49, siehe hier; R. Ellenblum, Frankish Rural Settlement in the Latin Kingdom of Jerusalem, Cambridge, 1998, S. 109-118. Siehe auch: M. Ehrlich, The Identification of Emmaus with Abu-Goš in the Crusader Period Reconsidered, ZDPV 112 (1996), 2, p.165-169).

Ein Teil der Karte „Palästina der Kreuzzüge“ von F. J. Salmon in Jaffa im Jahre 1924 herausgegeben. Die Karte zeigt die Straße von Jaffa nach Jerusalem. Emmaus-Nikopolis ist als Imwas, Abu-Gosch als „Quelle von Emmaus Fontenoid“ und Qubeibe als „La petite Mahomerie“ gezeigt.

Man kann die Möglichkeit der Existenz einer alten christlichen Tradition nicht ausschließen, der zu Folge ein Ort irgendwo in der Nähe des heutigen Abu Gosch als der Ort der Begegnung von Jesus mit den zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus verehrt wurde. Eine indirekte Bestätigung davon finden wir in einem der alten Manuskripte des Syrischen Neuen Testamentes, welches Lukas 24,13 wie folgt wiedergibt:

Er erschien zweien von ihnen am selben Tag, als sie zu einem Dorf namens Emmaus gingen und sechzig Stadien weit weg von Jerusalem waren.

Vetus Syra, Manuskript SySP, unsere Übersetzung.

1878 wies Mariam von Betlehem (Hl. Marie vom gekreuzigten Jesus) auf das Dorf Abu Gosch hin als den Ort, wo die zwei Jünger dem auferstandenen Jesus begegneten, bevor sie nach Emmaus-Nikopolis aufbrachen (siehe: Osmanische Epoche).

Hl. Mariam