Emmaus-Nikopolis
Emmaus in der muslimischen Tradition
Eine interessante Legende über Emmaus in der alttestamentlichen Zeit findet sich bei Mudschir ad-Din al-Ulaimi, einem muslimischen Chronisten in Jerusalem:
Zur Zeit Salomons war der Fels von Bajt al-Maqdis [der Tempel von Jerusalem] 12 Ellen hoch. Es war die „gute“ Elle, gleich einer Elle, und eine Spanne und eine Handbreit. Die Höhe der Kuppel war 18 Meilen über dem Felsen. Es wird [von anderen] berichtet, dass es nur 12 Meilen gewesen seien. Oben auf der Kuppel stand eine goldene Gazelle, die zwischen ihren Augen eine Perle oder einen roten Hyazinth hatte. Dank des hellen Lichtes dieses Steines konnten Frauen von al-Balqa‘ [in Transjordanien] während der Nacht spinnen. Dieses Gebiet von al-Balqa‘ liegt mehr als zwei Etappen von Jerusalem weg. Die Bewohner von Amawas [Emmaus] pflegten sich im Schatten der Kuppel zu bergen, wenn die Sonne im Osten aufging ... Amawas ist nahe von Ramla in Palästina. Es ist eineinhalb Barid [ca. 29 km] weg von Jerusalem. Zur Zeit der Abenddämmerung war es das Volk von Bajt ar-Rama und anderen Einwohnern von al-Gawr [der Jordangraben], die sich im Schatten der Kuppel zu bergen suchten. Bajt ar-Rama ist weiter von Jerusalem entfernt als Amawas ...
Mudschir ad-Din, Die Geschichte von Jerusalem und von Hebron, (Ende 15. Jh. - Anfang 16. Jh.), unsere Übersetzung von: Marmardji, „Textes geographiques arabes sur la Palestine“, Paris, 1951, S. 245
Emmaus (‘Amawas) wurde vom persischen Historiker al-Baladhuri (9. Jh.) unter den Städten, die von den Muslimen im Jahr 634 erobert wurden, genannt:
Abu-Hafs ad-Dimaschki von gelehrten Scheichs: - Der erste Konflikt zwischen Moslems und Griechen fand im Kalifat von abu-Bakr in der Provinz von Palästina statt; derjenige der den Hauptbefehl über die Moslems hatte, war ‘Amr ibn-al ‘Asi. Später, unter dem Kalifat von abu-Bakr, bewirkte ‘Amr ibn-al-‘Asi die Eroberung von Ghazza [Gaza], dann von Sebastia [Samaria] und Nabulus [Neapolis] mit der Abmachung, dass er den Bewohnern die Sicherheit ihres Lebens, ihres Besitzes und ihrer Häuser garantierte, unter der Bedingung dass sie eine Kopfsteuer zahlten, und eine Charadsch [Grundsteuer] auf ihr Land. Dann eroberte er Ludd [Lydda] und seinen Distrikt, danach Jubna [Jawne], ‘Amawas [Emmaus] und Bait-Dschabrin [Eleutheropolis, Bet-Guvrin] wo er sich selbst ein Anwesen nahm, welches er ‘Adschlan nach einem von ihm Freigelassenen nannte. Dann eroberte er Jaffa ...
Al-Baladhuri, Das Buch der Eroberungen, 138 (9. Jh.), unsere Übersetzung aus: The origins of the Islamic state, being a translation from the Arabic accompanied with annotations, geographic und historic notes of the Kitab futuh al-buldan of al-Immam Abu-l Abbas, Ahmad ibn-Jabir al-Baladhuri, Philip Khuri Hitti, Übers., N.Y., 1916, S. 213
Ein wichtiges Ereignis, das mit Emmaus verbunden ist und von vielen alten muslimischen Historikern erwähnt wird, war die Pestepidemie von 639 n. Chr. Zu diesem Zeitpunkt war die Gegend von Emmaus anscheinend ein Verwaltungszentrum geworden und Zentrum für viele arabische Truppen. Das erklärt die Tatsache, dass diese Pest, die in ganz Syrien wütete, „die Pest von ‘Amawas“ genannt wurde.
Der persische Historiker Al-Baladhuri (9. Jh.) beschreibt die Pest auf diese Weise:
Die Pest von ‘Amawas brach im Jahr 18 aus. Ihr fielen viele Muslime zum Opfer, unter ihnen war auch Abu ‘Ubaida ibn al-Dscharrah (der 58 Jahre alt war und Kommandant in der Armee) und Mu’adh ibn Dschabal von banu-Salima von al-Chasradsch, der abu-‘Abd-ar-Rahmân genannt wurde und der im Bezirk von al-Uchuwana in der Provinz des Jordans im Alter von 38 Jahren starb. Diesen Mu’adh bestimmte Abu ‘Ubaida bei seinem Tod zu seinem Nachfolger. Anderen gemäß ernannte er ‘Ijad ibn-Ghanm al-Fihri. Einige andere sagen, er ernannte ‘Amr ibn-al‘Asi, der seinen eigenen Sohn als Nachfolger ernannte und nach Ägypten ging. Al-Fadl ibn-al‘Abbas ibn-‘Abd-al Muttabib, auch abu-Muhammad genannt, fiel einigen zu Folge als Märtyrer in Ajnadin, aber Tatsache ist, dass er der Pest in ‘Amawas zum Opfer fiel. Andere Opfer waren Schurahbil ibn Hasana, auch genannt abu-‘Abdalla (der mit 69 Jahren starb), Suhail ibn Amr von banu-‘Amir ibn-Lu‘ai, auch abu-Yazid genannt, und al-Harith ibn-Hischam ibn al-Mughira-l-Machsumi (der, nach der Aussage anderer, als Märtyrer in der Schlacht zu Adschnadin fiel)…
Al-Baladhuri, Das Buch der Eroberungen, 139 (9. Jh.), unsere Übersetzung aus: The origins of Islamic State, being a translation from the Arabic accompanied with annotations, geographic and historic notes of the Kitab futh al-buldan of al-Imam Abu-l Abbas, Ahmad ibn-Jabir al Baladhuri, Philip Khuri Hitti, Übers., N.Y., 1916, S. 215.
Auch der arabische Historiker und Geograph aus dem 9. Jh. al-Yaqubi bezeugt:
Die Pest wütete in Syrien. Es war die jenige von ‘Amawas. In jenem Jahr starben zwanzigtausend Mann durch die Pest von ‘Amawas, außer denen, die nicht gezählt wurden. Die Preise stiegen. Die Menschen monopolisierten. Aber ‘Umar verbot das Monopol.
Abu l-ʿAbbās Ahmad ibn Ishāq ibn Wadih al-Yaʿqubi, Tarikh („Chronik"), in der zweiten Hälfte des 9. Jh. geschrieben, unsere Übersetzung aus: A.-S. Marmardji, Textes géographiques arabes sur la Palestine, Paris, 1951, S. 150).
Frauen an einem Brunnen in ‘Amwas, Foto ca. 1890
Die Pest stammte wahrscheinlich von infizierten Wasserquellen. Noch im 20. Jh. wurde ein Brunnen nahe von Emmaus von den Einheimischen „der Pestbrunnen“ genannt (auf Arabisch, „Bir at-Ta‘un“). Auf Grund der Pest verließen Einwohner von Emmaus ihre Häuser und zogen näher ans Meer (in die Gegend von Lydda, Lod). Im 10. Jh. schreibt der arabische Geograph al-Muqaddasi:
‘Amwas - man sagt, dieser Ort war in alten Tagen die Hauptstadt der Provinz, aber die Bevölkerung zog fort von dort, um näher am Meer zu sein, und auch mehr in der Ebene, wegen der Brunnen; denn das Dorf liegt am Rande des Hügellandes.
Al-Muqaddasi (Schams ad-Din Abu ʿAbd Allah Muḥammad ibn Aḥmad ibn Abi Bakr al-Bannaʾ al-Baschari), Beschreibung des moslemischen Reiches, ca. 985 n. Chr., Teil 1, Beschreibung der Provinz Syrien einschließlich Palästinas, unsere Übersetzung aus: Guy Le Strange, Palestine under Moslems, Beirut, 1965, S. 393, siehe den Originaltext hier).
Arabische Münzen aus dem 7. und 8. Jahrhundert, bei Ausgrabungen in Emmaus gefunden (siehe hier: K.-H. & Louisa Fleckenstein, Emmaus-Nicopolis Ausgrabungen 2001-2005, Novum Verlag, 2010):
Die Inschrift auf der Vorderseite: „El Malek”, „König“
Die Inschrift auf der Rückseite: „Masdschid”, „Moschee”
Die Inschrift auf der Vorderseite: „La ilaha illa Allah wahdahu” - „Es gibt keinen Gott außer Allah allein“
Die Inschrift auf der Rückseite: „Muhammad Rasul Allah” – „Mohammed ist der Botschafter von Allah“
Zweihundert Jahre nach der muslimischen Eroberung, in der Mitte des 9. Jahrhunderts, wird das Gebiet von Emmaus von einem persischen Geographen als bevölkerungsreiche und blühende Landschaft bezeichnet:
‘Amawas, von dem der Dichter Ibn Kulthum al-Kindi spricht: „Sind da nicht so viele junge Leute, hochherzig und ansehnlich wie der Mond, so viele junge Frauen, tugendhaft und hellhäutig im Tal von ‘Amawas!“
Ibn Chordadbeh, Das Buch von Straßen und Königreichen, geschrieben in den Jahren 846-886, unsere Übersetzung aus: De Goeje, M.-J., Bibliothca geographorum Arabicorum, Bd. 6, 1889, S. 58.
(Foto: Israelische Altertumsbehörde)
Marmortafel mit einer arabisch-kufischen Inschrift, in Emmaus entdeckt (aus den Jahren 845-854):
In Namen von Allah. Allah bezeugt, dass es keinen Gott gibt außer Ihm; und (ebenso bezeugen) die Engel und diejenigen, die Wissen besitzen; der Wahrer der Gerechtigkeit. Es gibt keinen Gott außer Ihm, dem Allmächtigen und Allweisen. [Koran 3,18]. Das ist das Grab von Abu al-Qasim Sohn des Isa Sohn des Dschafar Sohn des Ibrahim Sohn des Subh al-… Möge die Barmhertzigkeit von Allah auf ihm ruhen. Er starb am Montag… Muharram, im Jahr… dreißig und (zwei hundert?)...
(Siehe hier: Moshe Sharon, „Corpus Inscriptionum Arabicarum Palaestinae“ , Bd.1, Leiden-NY-Köln, 1997, S. 82-83)
Die muslimischen Schreine von Emmaus
Die Überlieferung, dass Abu 'Ubayda, ein Gefährte Mohammeds, der 639 an der Pest starb, in Emmaus begraben wurde, wird erstmals in dem Werk „Kitab al-Tabaqat al-Kubra“ des arabischen Historikers Ibn Sa'd aus dem neunten Jahrhundert erwähnt:
Abu Bakr ibn 'Abdullah berichtete von einigen Männern aus dem Volk von Abu 'Ubayda, dass Abu 'Ubayda ... an der 'Amwas-Plage im Jahre 18 AH starb, während 'Umar ibn al-Khattab Kalif war. Abu 'Ubayda war 58 Jahre alt, als er starb. Sein Grab befindet sich in 'Amwas, dass vier Meilen von Ramla in Richtung Jerusalem liegt.
Unsere Übersetzung von: Muhammad Ibn Sa'd, The Men of Madina, Aisha Bewley, Übers., Ta-Ha Publishers, London, 1997, Bd. 1, S. 237.
Der persische Reisende al-Harawi ist der erste, der die Gräber zahlreicher Gefährten Muhammads und Pestopfer aus dem Jahr 640 n. Chr. in Emmaus erwähnt:
Man sieht in ‘Amwas die Gräber einer großen Anzahl von Gefährten des Propheten und von den Tabi’in, die hier an der Pest gestorben sind. Unter ihnen werden Abder Rahman ibn Muadh ben Dschabal und seine Kinder, Harith, der Sohn des Hischam, Suhail, Sohn des Amr, und viele andere erwähnt, deren Beisetzungsort nicht genau bekannt ist.
Abu al Hassan Ali ibn Abi Bakr al-Harawi, Führer an Pilgerorte, geschrieben Anfang 13. Jh., unsere Übersetzung aus: Archives de l‘Orient latin, Band 1, Paris , 1881, S. 609
Der französische Orientalist Charles Clermont-Ganneau (1846-1923), der 1874 die Region von Amwas erforschte, berichtete, dass die Dorfbewohner noch immer die Gräber von Muadh ibn Djebel und Abu 'Ubayda verehrten:
Das wichtigste und auffallendste muslimische Heiligtum von Amwas liegt auf einem Hügel etwa 500 m südlich des Dorfes. Es erscheint auf der Karte des Palestine Exploration Fund unter dem Namen „Scheich Mo’alla“, was in den Namenslisten mit „erhaben“ interpretiert wird [Arabic and English Name Lists Collected during the Survey by Lieutenants Conder and Kitchener, E. H. Palmer, Übers., London, 1881, S. 328]. Ich habe den Namen auch als „Ma’alle“ ausgesprochen gehört und auch als „Mu’al“ oder „Mo’al“; aber das sind einfach verkürzte und nicht ganz richtige Formen; der vollständige Name ist „Scheich Mu’adh ibn Dschabal“, wie ich schon an mehreren Stellen erwähnt habe. Obwohl sie seinen Ursprung nicht kennen, haben die Fellachen eine außergewöhnliche Verehrung für dieses Heiligtum; sie sagen, es werde öfters zum Schauplatz für eine übernatürliche Erscheinung: man sieht einen alten Mann mit einem langen weißen Bart auf einer grünen Stute und mit einem Spieß („charbe“) in seiner rechten Hand, mit dem er seine Feinde tötet. Dieser ist der Scheich, den sie mit heiliger Scheu verehren.[...]
Arabischer Reiter, Zeichnung veröffentlicht von Johan Helffrich in: „Kurtzer und warhafftiger Bericht von der Reis aus Venedig nach Hierusalem“, Leipzig, 1581.
An der Westseite des Dorfes, nördlich der Kirche, liegt ein anderes muslimisches Heiligtum, welches auch sehr verehrt wird. Hier steht ein antikes und sehr merkwürdiges Gebäude, mit Kuppeln und Gewölben. Es heißt einfach Scheich ‘Obeid. Ich habe keinen Zweifel daran, dass dieser sonst unbekannte Scheich ‘Obeid in einer Beziehung mit Mu‘adh ibn Dschabal steht und dass sich dahinter ein anderer berühmter Held aus der Epoche der muslimischen Eroberung verbirgt, der der Pest von Amwas zum Opfer fiel; ich meine General Abu ‘Obaida ben al Dscharrah, der die Armee der Invasoren befehligte und dem Mu‘adh ibn Dschabal selbst als Befehlshaber folgte.
Charles Clermont-Ganneau, Archeological Researches in Palestine during the Years 1873-1874, Bd.1, London, 1899, S. 491-493, unsere Übersetzung.
„Grab von Abu 'Ubayda“, ursprünglich ein römisches Badehaus aus dem 3. Jahrhundert, das während der byzantinischen Periode umgebaut wurde, heute im Park Canada (Ayalon).
Muslimische Votivöllampen aus dem Heiligtum von Abu 'Ubaida (Mameluken- und Osmanenzeit), siehe hier: M. Gichon, R. Linden, „Muslim Oil lamps from Emmaus“, IEJ 1984, S. 156
„Mausoleum des Scheichs ibn Dschabal“, ursprünglich dem Scheich Mou'alla ibn Schukair gewidmet, 1289-1290 erbaut, heute im Park Canada (Ayalon).
Weitere Informationen zu den muslimischen Heiligtümern von Emmaus finden Sie unter: Früharabische Epoche und Epoche der Mameluken