Emmaus-Nikopolis
Wiederentdeckung von Emmaus (18.-20. Jahrhundert)
Siehe auch: Osmanische Epoche
Adriaan Reland
Die Wiederentdeckung von Emmaus-Nikopolis beginnt im Jahr 1714 mit der Veröffentlichung einer Untersuchung der Geographie Palästinas Palaestina ex monumentis veteribus illustrata von Hadrian Reland, einem holländischen Gelehrten. Diese stützt sich sowohl auf römische, byzantinische und jüdische Quellen als auch auf Aussagen der zeitgenössischen Reisenden und Augenzeugen. Reland ist der erste moderne Forscher, der den mehrere Jahrhunderte alten Irrtum korrigiert, welcher Emmaus-Nikopolis nach Abu Gosch oder Qubeibe verlegte (siehe: Epoche der Kreuzzüge und Epoche der Mameluken). Reland siedelt Emmaus-Nikopolis an seinem richtigen Platz im Tal Ajalon an, stellt sich jedoch der Gleichsetzung von Nikopolis mit dem Emmaus des Evangeliums entgegen. Er stellt die These der Existenz von zwei verschiedenen Orten namens Emmaus in der Region von Jerusalem auf: einerseits das Emmaus im Bergland, welches im Evangelium des Lukas in einer Entfernung von 60 Stadien (ca. 12 km) von Jerusalem erwähnt wird und andererseits das Emmaus der Ebene, ebenso unter dem Namen von Nikopolis bekannt, welches sich ca. 10 Meilen (ca. 18 km) östlich von Ramla befindet und das im 1. Buch der Makkabäer erwähnt wird. Diese Theorie hat viele spätere Forscher bis in unsere Zeit beeinflusst:
Die Frage von Emmaus ist sehr schwierig. Wenn sich Emmaus nur 60 Stadien von Jerusalem entfernt befindet, wie kann man dann sagen, es sei in der Ebene gelegen (1 Makk 3,40)? Die Ebene befindet sich von Jerusalem weiter nach Westen. Die Reisebeschreibungen der Pilger und die Berichte der Augenzeugen stimmen in dieser Sache miteinander überein. Ungefähr zehn römische Meilen von der Stadt Ramla, durch die der Weg von Jaffa nach Jerusalem führt, verlassen die Reisenden die Ebene, erklimmen die Berge und folgen dem Weg durch das Gebirge, bis sie Jerusalem erreichen. Das ist wohlbekannt und nicht zu leugnen. […] Noch dazu gibt es bezüglich Emmaus, später Nikopolis genannt, viele Zeugnisse. Nikopolis ist jedoch von Jerusalem 22 Meilen entfernt, das heißt 176 Stadien, wie es im alten Itinerar von Jerusalem geschrieben steht [d.h.: bei dem anonymen Pilger aus Bordeaux – Anmerkung des Übers.]. Wie sehr unterscheidet sich doch diese Distanz von derjenigen von 60 Stadien! Noch dazu ist es erstaunlich, dass man in den alten Texten über Nikopolis, ohne es zu bemerken, viele Dinge erzählt, die nicht zu dem von Lukas erwähnten Emmaus passen.
Ich werde das Problem in wenigen Worten erklären. Ich möchte es klarstellen, dass das von Lukas erwähnte Emmaus und das Nikopolis genannte Emmaus zwei sehr verschiedene und voneinander weit entfernte Orte sind. Erstens war das von Lukas erwähnte Emmaus ein Dorf (κώμη), von Jerusalem ungefähr 60 Stadien entfernt […], Emmaus aber, das auch Nikopolis genannt wird, war jedoch eine Stadt, die von Jerusalem 22 römische Meilen, das heißt 176 Stadien, entfernt lag.
Zweitens befand sich Emmaus (Nikopolis) in der Ebene, an dem Ort, wo sich die Berge von Judäa zu erheben beginnen. So schreibt Hieronymus in seinem Kommentar zu Daniel, Kapitel 12. [ …] Kann man so etwas von einem Ort, der sich in einer Entfernung von 60 Stadien von Jerusalem befindet, behaupten? Beginnen dort sich die Berge von Judäa zu erheben? Nein, es ist dort, wo sich Nikopolis befindet, 22 Meilen von Jerusalem und 10 Meilen von Lydda (Lod), dort, wo man die Burg des Guten Schächers erblickt, da beginnt der Anstieg der Berge von Judäa. Das ist all jenen bekannt, die auf diesem Weg gereist sind oder die kürzlich geschriebene Berichte von Pilgern gelesen haben. Das passt auch mit dem Zeugnis der Autoren des Talmud zusammen: „Von Bet-Choron bis zum Meer gibt es drei Regionen: Von Bet-Choron bis Emmaus ist Bergland, von Emmaus bis Lod Flachland und von Lod bis ans Meer Tiefland.“ […] Wie klärt sich doch alles auf, wenn Emmaus dort ist, wo wir es ansiedeln, das heißt 10 römische Meilen entfernt von Lydda in Richtung Bet-Choron!
In dem Buch der Altertümer III, 1, steht geschrieben, dass die Bewohner von Judäa die Stadt Emmaus befestigten und dort einen Turm bauten, siehe 1 Makkabäer 9,50 [In der Tat wurde Emmaus durch die Griechen befestigt, siehe: Flavius Josephus, “Jüdische Altertümer“ XIII, 3, und 1 Makk 9, 50 – Anmerkung des Übers.] […] Ich vermute, dass man die Reste dieser oder anderer, später von den Römern erbauter, Türme und Befestigungen, im allgemeinen „Burg des Guten Schächers“ genannt, rechts von der Hauptstraße, die von Jaffa kommt, sieht. Auf jeden Fall entspricht die Entfernung zwischen diesen Ruinen und Diospolis (Lydda) der Distanz von X römischen Meilen, die zwischen Nikopolis und Diospolis erwähnt wird …
Hadriani Relandi Palaestina ex monumentis veteribus illustrata, Trajecti Batavorum (Utrecht), 1714, Bd. I, S. 426-429, , unsere Übersetzung, der Original-Text ist hier zu finden.
Eine Karawane am Brunnen in Emmaus, der Stich von William Henry Bartlett , erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aus dem Buch: H. Stebbing, "The Christian in Palestine", London, 1847, S. 4. (Die Höhe der Berge ist übertrieben)
Emil Rödiger
Seit der ersten Hälfte des 19. Jh. erfährt das Heilige Land große Veränderungen, die mit dem Abstieg des Osmanischen Reiches und der kolonialen Expansion der europäischen Mächte im Nahen Osten verbunden sind. In dieser Zeit beginnt das moderne wissenschaftliche Erforschung Palästinas.
1842 kritisiert der deutsche Orientalist Emil Rödiger als erster der modernen Forscher die These Relands, welche zwei verschiedenen Emmaus’ in der Region von Jerusalem vertritt. Wenn er diese Theorie auch nicht ganz ablehnt, weist Rödiger sowohl auf die antike christliche Tradition, die das Emmaus des Evangeliums mit Nikopolis gleichsetzt, als auch auf die Variante der 160 Stadien in einigen Manuskripten des Evangeliums von Lukas hin (Siehe hier: Artikel Rödigers in der Zeitschrift „Allgemeine Literatur-Zeitung“, Jahrgang 1842, Nr. 72, S. 576).
Sich auf die Anmerkungen Emil Rödigers stützend schließt der deutsche Geograph Carl Ritter im Jahr 1852 nicht aus, dass Nikopolis das Emmaus des Evangeliums sein könnte:
… Da die Entfernung dieses Ortes Amwas von Jerusalem über Latrun etwa 7 Stunden Wegs beträgt, das Ev. Lucä aber die Entfernung Emmaus von Jerusalem auf 60 Feldwegs, d. i. Stadien, nur 3 Stunden Wegs, angibt, so scheint dieses damit nicht verglichen werden zu können; indes bemerkt Rödiger, dass nicht alle Codices in der gewöhnlichen Lesart von 60 Stadien übereinstimmen, sondern auch die Variante von 160 Stadien in mehreren derselben vorkommen, was dann ganz gut mit der Distanz dieser im Mittelalter genannten Nicopolis oder Emmaus, der jetzigen Amwas, übereinstimmen würde und wohl die alte, merkwürdig zusammenhängende Kirchentradition bestätigen möchte. Und wirklich ist bis jetzt kein anderes östlicheres Emmaus bekannt, das mehr historische Ansprüche auf diese merkwürdige Localität der Auferstehungsgeschichte des Heilandes machen könnte, bei der die größere Entfernung gegen West in der Sache selbst keine Schwierigkeit darbietet...
Carl Ritter, Vergleichende Erdkunde der Sinai-Halbinsel, von Palästina und Syrien, Berlin, 1852, Band 2, S. 545-546, der vollständige Text ist hier zu finden
Carl Ritter
Edward Robinson
Der amerikanische Forscher Edward Robinson gibt 1856 eine zweite Ausgabe seines Werkes Biblical Researches in Palestine heraus, in der er seine Reise nach Palästina von 1852 beschreibt und als erster der modernen Forscher Amwas mit dem Emmaus des Evangeliums auf eine eindeutige Weise gleichsetzt:
Dienstag, der 27. April. – Der Morgen begann mit einem Anschein von Regen, und es fiel ein leichter Schauer; aber die Wolken lösten sich bald auf und der Tag wurde schön. Wir brachen um 6h55 mit einem Führer von Jalo nach Sur’a auf. Anfangs kehrten wir für zehn Minuten auf unsere Route vom Vorabend zurück, dann stiegen wir einen Hang ab, ungefähr in Richtung N. 65° W, immer entlang eines Kammes. Um 7h25 wandten wir uns nach links und gingen um eine Bergschulter herum und wir fanden uns gegenüber Amwas und Latrun, die in Richtung S. 47° W lagen.
Indem wir allmählich abstiegen, kamen wir um 7h40 im Dorf Amwas an, das sich auf einem sanften westlichen Abhang eines felsigen Hügels befindet, hoch genug, um von dort aus einen ausgedehnten Blick über die große Ebene zu bekommen. Heute ist es ein armer Weiler, der aus ein paar elenden Häusern besteht. Es gibt zwei Brunnen oder Quellen lebendigen Wassers; einer befindet sich gerade neben dem Dorf und der andere ein wenig weiter unten gegen Westen, in dem flachen Tal. Der erste ist wahrscheinlich derjenige, den Sozomenos im fünften, Theophanes im sechsten und wiederum Willibald im achten Jh. erwähnen, als an dem Ort gelegen, wo die drei Wege aufeinander treffen (in trivio), und der heilende Eigenschaften besitzt. Uns fielen auch Bruchstücke zweier Marmorsäulen auf, und man erzählte uns von Sarkophagen, die sich in der Nähe befanden und die erst vor kurzem geöffnet worden waren. Aber das Haupt-Relikt aus der Antike befindet sich gerade im Süden des Dorfes: es sind die Reste einer alten Kirche, die ursprünglich ein schönes Gebäude war, aus großen Quadern gebaut. Ihre abgerundete Ostmauer steht noch immer, so wie die zwei westlichen Ecken; die dazwischenliegenden Teile sind jedoch völlig zerstört. Dies ist der gegenwärtige Zustand des antiken Nikopolis. Ich glaube, niemand bezweifelt, dass Amwas das antike Emmaus oder Nikopolis ist, das an dem Fuße der Berge lag, und nach „Itinerarium Hierosolymitanum“ zweiundzwanzig römische Meilen von Jerusalem und zehn Meilen von Lydda entfernt war […] Obwohl das Dorf Amwas von diesem Weg [von Jerusalem] aus sichtbar ist, scheint es doch bis jetzt von keinem Reisenden besucht worden zu sein. [...]
Mit diesem Ort ist eine Frage von großem historischen Interesse verbunden; nämlich, ob er in einem Bezug zum Emmaus des Neuen Testaments steht, zu dem die zwei Jünger von Jerusalem aus unterwegs waren, als Jesus sich am Tag seiner Auferstehung ihnen näherte und mit ihnen zusammen ging? Der Text des Neuen Testaments, wie wir ihn heute kennen, gibt an, dieser Ort sei von Jerusalem sechzig Stadien entfernt, was, wenn es stimmt, jegliche Verbindung mit dem gegenwärtigen Amwas natürlich ausschließt, denn letzteres liegt wenigstens hundertsechzig Stadien von der Heiligen Stadt entfernt. Indessen besteht, nach den ältesten Zeugnissen, die wir nach dem apostolischen Zeitalter besitzen, kein Zweifel daran, dass innerhalb der Kirche die Ansicht vorherrschte, dass Nikopolis (wie es genannt wurde) der Ort dieses Geschehens gewesen sei. Im vierten Jh. sind Eusebius und Hieronymus beide in dieser Sache eindeutig; der eine als leitender Bischof und Historiker, der andere, als Gelehrter und Übersetzer der Schriften. Tatsächlich schienen sie keine andere Interpretation dieses Gegenstands zu kennen; und auch bei keinem anderen Schriftsteller der Antike ist eine davon verschiedene Interpretation zu finden. […] Die Einwände gegen diese Sicht wurden von Reland und anderen gut dargestellt. […] Man kann das Problem also auf folgende Weise darstellen: Einerseits geben gute Manuskripte die Distanz zwischen Emmaus und Jerusalem mit hundertsechzig Stadien an; es gab in dieser Entfernung einen Ort namens Emmaus, welcher noch immer als das Dorf Amwas besteht; außerdem wird all das durch das kritische Urteil der gelehrten Männer, die kurz nachher in dem Land lebten, wie auch durch die ununterbrochene Tradition der ersten dreizehn Jahrhunderte unterstützt. Andererseits gibt es die Variante der sechzig Stadien, die in den meisten Manuskripten, die wir heute besitzen und die von außerhalb Palästinas stammen, geläufig ist. Diese wird nur durch eine zweifelhafte Variante des [Flavius] Josephus unterstützt, ohne einem Ort zu entsprechen, welcher sich heute oder am Ende des dritten Jh. in dieser Entfernung von Jerusalem befunden hätte. Was das Neue Testament betrifft, muss man zwischen zwei verschiedenen Lesarten wählen: einer ersten, die heute in den Manuskripten und Ausgaben geläufig, aber ohne eine andere gültige Grundlage ist; und einer zweiten, die auch durch die Manuskripte, aber auch durch die Tatsachen sowie durch das Urteil der antiken Gelehrten und eine ununterbrochene antike Tradition gestützt wird. Nach langem Nachdenken neige ich dazu, die Sicht des Eusebius und des Hieronymus anzunehmen …
Later Biblical Researches in Palestine and the Adjacent Regions; a Journal of Travels in the Year 1852 by Edward Robinson, Eli Smith and others, London, 1856, S. 146-150, unsere Übersetzung, der Original-Text ist hier zu finden
Robinson folgend, erkannten zahlreiche Gelehrte vom Ende des 19. Jh.- Anfang 20. Jh. Emmaus-Nikopolis als das Emmaus des Evangeliums an, was zu einer intensiven Erkundung des Ortes führte.
Die Sicht von Edward Robinson, der das Emmaus des Evangeliums in Emmaus-Nikopolis ansiedelte, wurde 1859 bestätigt, als der Gelehrte Constantin von Tischendorf das unter dem Namen „Codex Sinaiticus“ bekannte hochqualitative griechische Manuskript aus dem 4. Jahrhundert veröffentlichte, welches die Bücher des Alten und des Neuen Testaments enthält. Im Lukasevangelium, Kapitel 24, Vers 13, hat dieses Manuskript die Variante der 160 Stadien zwischen Jerusalem und Emmaus, was der Lage von Emmaus-Nikopolis entspricht.
Eine Seite aus dem Codex Sinaiticus mit den Kapiteln 23 und 24 des Lukasevangeliums (British library)
1859 veröffentlicht der Schweizer Palästina-Forscher Titus Tobler als erster eine detaillierte Beschreibung der Südbasilika von Amwas und unternimmt den Versuch, das Datum ihrer Erbauung zu ermitteln:
Wir erreichten 9 U. 23 Min. Latrun, das 982' über dem Spiegel des Mittelmeeres liegt [Tatsächlich 853 Fuß oder 260 m – unsere Anmerkung]. Die Pilger, zu denen auch ich gehörte, wallen mit Unrecht so ziemlich gleichgiltig da vorbei; denn der grosse Umfang der Trümmer, der etwa eine Viertelstunde beträgt, übertraf weitaus meine Erwartung. [...] Sehr zufrieden mit der nähern Untersuchung der bedeutsamen und doch von den Pilgern so wenig beachteten Trümmer ging ich 9 U. 45 Min weg, und gleich kamen wir auf den Jerusalem-Ramleher-Weg, den wir im Zuge nach Norden durchschnitten, und gelangten 9 U. 57 Min. zu den Ruinen von Amuas عمواس. Diese Überbleibsel der Kirche von Nikopolis, welche für eine solche auch von den Einwohnern des Dorfes Amuas gehalten wird, verdienen in hohem Grade die Aufmerksamkeit. Die Trümmer so nahe und diejenigen von Latrun noch näher an der Pilgerstrasse, und doch wurden beide von den Wallfahrern gar selten besucht. [...]
Titus Tobler
Die dunkelgraue, an keinem Gebäude hellere Farbe trägt die Schuld, dass es so selten beobachtet wird. Noch ist der Chorbogen (konche) als Osttheil der Kirche und südlich ein Rundbogengewölbe erhalten. Am solid gebauten Chor gibt es auch fugengeränderte Steine und der Konche nach krumm gehauene von 8' 10'' Länge und 2' 10'' Höhe. Diese Kirche erinnert lebhaft an die St. Annakirche bei Bet Dschibrin [d. h. Bet-Guvrin], und ich halte sie unbedingt für die ältesten Reste einer Kirche in Palästina, so weit mir dieses bekannt ist. Ihr Bau fällt wol ins vierte Jahrhundert. Das Dorf ist drei Minuten nördlich von der Kirche entfernt, und zwischen beiden steht unten westlich ein Brunnen, aus dem fleissig Wasser geschöpft wird. Das Wasser ist gut, jedoch weiter nicht ausgezeichnet. Das Dorf liegt an einem sanften Hang von Ost nach West recht freundlich. Es ist indess nicht gross, und die Häuser sind hässlich...
Titus Toblers dritte Wanderung nach Palästina im Jahre 1857, Gotha, 1859, S. 186-187, der vollständige Text ist hier zu finden.
Der französische Archäologe und Geograph Victor Guérin begann sich 1863, während seiner dritten Reise nach Palästina, für Emmaus zu interessieren. Robinson folgend, neigt er dazu, Amwas mit dem Emmaus des Evangeliums gleichzusetzen. So wie Titus Tobler beschreibt Guérin die Basilika von Amwas und versucht sie zu datieren:
Um drei Uhr dreiunddreißig Minuten mache ich mich wieder in Richtung Westensüdwesten auf den Weg. Nach der Besteigung eines Hügels komme ich in ein Tal hinab und erreiche Amwas (عمواس) um vier Uhr. Es ist ein sehr kleines Dorf mit höchstens zweihundert Einwohnern, teils in einem Tal und teils auf den Hängen eines Hügels liegend. Die Häuser sind grob aus kleinen Steinen gebaut. Nahe vom Dorf liegt ein alter Brunnen, dessen Wasser ausgiebig und unerschöpflich ist. An den benachbarten Berghängen bemerkt man einige Grabhöhlen. Ein wenig südlich der letzten Häuser von Amwas, auf einer niedrigen Erhebung, wird unter einer Kuppel (koubbeh) das Grab eines muslimischen Heiligen von den Einheimischen verehrt; eine Reihe von Kakteen umgibt das Heiligtum.
Victor Guérin
Noch südlicher und vier Minuten von Amwas entfernt erheben sich die Reste einer byzantinischen Kirche, deren Schiffe völlig zerstört sind; nur ihr Standort ist erkennbar. Die drei nach Osten gewandten Apsiden stehen noch, zumindest teilweise, gebaut aus Reihen von prächtigen, sehr regelmäßig gehauenen Steinblöcken, von denen einige bossiert (leicht gewölbt) sind. Dies sind die einzigen Überreste der antiken Stadt Emmaus, welche später Nikopolis genannt wurde und die seit der Eroberung durch die Araber ihren ursprünglichen Namen wieder angenommen hat. {...] Der Brunnen und einige Gräber gehören höchstwahrscheinlich zur jüdischen Stadt, und von der christlichen Stadt bleiben nur noch die Reste der byzantinischen Basilika übrig, von der ich gesprochen habe. Ich ordne sie den ersten Jahrhunderten der Kirche zu, wegen der großen Ähnlichkeit, die sie mit der Sankt-Anna-Basilika von Bet Dschibrin [d. h. Bet-Guvrin] aufweist, welche nicht einer späteren Epoche als der Justinians anzugehören scheint, auch wenn sie nicht bis auf Konstantin zurückgeht.
V. Guérin, Description géographique, historique et archéologique de Palestine, Bd. 1, Paris, 1868, S. 293-294, unsere Übersetzung, der Original-Text ist hier zu finden.
In demselben Jahr 1863 besucht der Franziskaner Alessandro Bassi Amwas. Ihm verdanken wir die erste Skizze und den ersten, wenn auch unvollständigen Plan der Ruine von der Südbasilika:
Von El Atrun aus bog ich, statt nach Ramla hinunter zu gehen, nach rechts und über einen sanften Hang, in Richtung Norden, fand ich mich nach einer Viertelstunde am Fuße der erstreckte Berge von Judäa wieder, die sich, eine Mulde bildend, mir gegenüber und zur Seite erhoben. Daselbst sich vor mir ein weites Feld mit einer gelb werdenden Ernte (es war Ende Mai), in dessen Mitte sich eine nicht bepflanzte Fläche befand, die wie eine rechteckige Tenne, die sich von Osten nach Westen ausdehnte, aussah; im Osten war sie von einer Mauer umgeben, die sich in ihrer Mitte zu einem Halbkreis öffnete. Ich lenkte mein Pferd dorthin und nach zwei Sprüngen befand ich mich innerhalb der Konturen einer Kirche. Der Halbkreis entsprach der Apsis der Kirche oder dem erhobenen Altarraum. Zur Linken des Rechtecks, am oberen Ende seiner Südseite, sah man die Reste eines Nebengebäudes der Kirche, das ursprünglich ein Ganzes mit ihr gebildet hatte. Dieser Anbau, der die Gestalt einer Sakristei hatte, bestand aus Resten eines kleinen viereckigen Raums, der auch gegen Osten mit einer niedrigen gewölbten Apsis endete, während von den anderen Wänden, die ihn umgaben, noch eine einen Meter hohe Umfriedung aus Steinen übrig war. [...]
Während ich mit meinen Gefährten sprach, umringte uns ein Haufen Araber des benachbarten Dorfes und bettelte um das übliche Bakschisch. [...] Ich fragte diese schmutzigen Fellachen, ob da unter ihnen einen „Scheich el-Beled“ (Dorfvorsteher, etwas wie unser Bürgermeister) sei. Sie brachten einen kleinen, altersschwachen und zerlumpten Mann her, mit dem ich, nach den üblichen Begrüßungen, mit Hilfe eines Dragomans, ein Gespräch begann:
„Wie heißt dein Dorf?“ – „Amwas“. [ …]
„Gibt es Brunnen in deinem Dorf?“ – Der Araber streckte die Finger seiner Hand, so sehr er konnte, aus und sagte: „Chamse (fünf). Drei auf den Feldern und zwei im Dorf. Hier unten.“ Er zeigte sie mir und fuhr fort: „Aus dem nächstgelegenen schöpfen wir Wasser; jener da ist heilig, hier halten wir unsere Waschungen.“
„Sag mir, wie heißt dieser Ort, an dem wir uns befinden?“ – „Kenisse (eine Kirche). Und dort ist noch eine zweite, eine kebir (große).“
„Was glaubt ihr, ist diese kleine Kenisse gewesen?“ – „HON WEN SAJEDNA ISSA FALAK EL AESCH“ (Dies ist der Ort, an dem Unser Herr Jesus das Brot brach).
Meine Gefährten und ich tauschten einen erstaunten und befriedigten Blick aus. Ich befahl dem Dragoman, dem Scheich-Cicerone das unvermeidliche Bakschisch zu geben und verteilte ein wenig Rauchtabak an die anderen und entließ sie zufrieden. Zu meinen Gefährten gewandt sagte ich: „Dies ist wirklich das Heiligtum von Emmaus. Lasst uns in die kleine Kapelle gehen, die den Ort bezeichnet, an dem der auferstandene Jesus im Haus des Kleopas die gastfreundlichen Jünger mit seiner Gegenwart getröstet hat. Hier ohne Zweifel, Adorabimus in loco ubi steterunt pedes eius [In Lateinisch: Wir werden genau dort anbeten, wo seine Füße standen]".
Der Plan der Kirche in Amwas aus dem Buch von Alessandro Bassi
Als wir das Gebet beendet hatten, schrieb ich sofort das vorherige Gespräch nieder, um es nicht zu vergessen, und skizzierte dann schnell die Anlage der Kirche und machte eine Zeichnung von der kleinen Apsis, dem wichtigsten und am besten erhaltenen Teil des Monumentes. Das Innenmaß der Kirche beträgt 26,2 m, von denen 4,5 m zur Tiefe der Apsis gehören, seine größte Breite beträgt 9 m., die Länge des Heiligtums ohne Apsis beträgt 6 m, seine Breite beträgt ein bisschen weniger als 3 m. Dann untersuchte ich die Mauern oder das wenige, das von ihnen noch übrig geblieben war. Aus der enormen Größe der Quader schloss ich, dass das Gebäude sehr alt war. Alle Steine hatten eine Höhe von 0,93 m, in der Mitte der Apsis entdeckte ich einen, 3,2 m langen Stein, und in der kleinen Kapelle einen Stein von 2,9 m Länge. [...] Vor dem Verlassen des Ortes hätte ich gerne auch die anderen Ruinen des Gebiets von Amwas besuchen wollen sowie die wundertätige Quelle und die Überreste der großen Kirche (Kenisse el-Kebir), von der mir der Scheich erzählt hatte. […] Der Tag neigte sich und ich musste das franziskanische Hospiz in Ramla noch vor Einbruch der Nacht erreichen, also musste ich mich beeilen. Nichtsdestoweniger verließ ich den Ort befriedigt und glücklich darüber, dass ich das wahre und Haupt-Heiligtum von Emmaus gefunden und den Boden im Haus des Kleopas, wo SAJEDNA ISSA FALAK EL AESCH, Unser Herr das Brot brach, geküsst hatte. […]
Alessandro Bassi, , Emaus, città della Palestina, Torino, 1884, S. 47-48, 51-53, der Text wurde 1864 geschrieben. Unsere Übersetzung, der Original-Text ist hier zu finden.
Alessandro Bassi erkannte sowohl das Schiff der Kreuzfahrerkirche von Amwas als auch die östliche Mauer der byzantinischen Basilika mit ihrer Mittel- und Süd-Apsis. Es ist indessen unklar, von welcher „großen Kirche“ der Scheich zu ihm gesprochen hat.
1868 veröffentlicht der deutsche Theologe Ernst Ranke erstmals den Codex Fuldensis, eines der ältesten Manuskripte der Vulgata (Hl. Hieronymus 4. Jh. Übersetzung des Neuen Testaments ins Lateinische), das auf das 6. Jh. zurückgeht. Dieses Manuskript enthält die Variante der hundertsechzig Stadien zwischen Jerusalem und Emmaus ( Codex Fuldensis Novum Testamentum Latine Interprete Hieronymo ex Manuscrito Victoris Capuani edidit Ernestus Ranke, Marburgi & Lipsiae, 1868, S. 160, der Original-Text ist hier zu finden).
1874 führt der französische Orientalist Charles Simon Clermont-Ganneau erstmals eine archäologische Ausgrabung in der Kirche von Emmaus-Nikopolis durch, um die Bodenmosaiken des Gebäudes zu finden. Die Ausgrabung, die ohne die Autorisierung der osmanischen Behörden stattfindet, dauert nur kurz und führt nicht zu dem erwünschten Resultat.
In seinem 1899 in London veröffentlichten Werk spricht der Forscher von antiken Objekten und Inschriften, die er 1874 von der ansässigen Bevölkerung bekommen hatte. Er verweist ebenso auf antike Gräber in der Nähe des Dorfes von Amwas und übermittelt Erzählungen und Legenden, die er an diesem Ort gehört hat (Charles Clermont-Ganneau, Archaeological Researches in Palestine during years 1873-74, London, 1899, Bd. 1, S. 483-485ff, siehe hier).
Charles Clermont-Ganneau
Die 1874 von Clermont-Ganneau angefertigte Skizze eines römischen Grabes in der Nähe von Emmaus (Siehe: Charles Clermont-Ganneau, „Archaeological Researches in Palestine during the Years 1873-1874“, London, 1899, Bd. 2, S. 94 ff).
Clermont-Ganneau berichtet unter anderem von der Verehrung der Gräber des Mu’adh ibn Dschabal und des Abu ’Ubaida durch die Bewohner des Dorfes:
Das wichtigste und auffallendste muslimische Heiligtum von Amwas liegt auf einem Hügel etwa 500 m südlich des Dorfes. Es erscheint auf der Karte des Palestine Exploration Fund unter dem Namen „Scheich Mo’alla“, was in den Namenslisten mit „erhaben“ interpretiert wird [Arabic and English Name Lists Collected during the Survey by Lieutenants Conder and Kitchener, E. H. Palmer,Übers., London, 1881, S. 328]. Ich habe den Namen auch als „Ma’alle“ ausgesprochen gehört und auch als „Mu’al“ oder „Mo’al“; aber das sind einfach verkürzte und nicht ganz richtige Formen; der vollständige Name ist „Scheich Mu’adh ibn Dschabal“, wie ich schon an mehreren Stellen erwähnt habe.
Das Grabmal von Scheich Ibn Dschabal (Park Kanada)
Muslimische Votivöllampen aus dem Heiligtum von Abu 'Ubaida (Mameluken- und Osmanenzeit), siehe hier: M. Gichon, R. Linden, „Muslim Oil lamps from Emmaus“, IEJ 1984, S. 156
Obwohl sie seinen Ursprung nicht kennen, haben die Fellachen eine außergewöhnliche Verehrung für dieses Heiligtum; sie sagen, es werde öfters zum Schauplatz für eine übernatürliche Erscheinung: man sieht einen alten Mann mit einem langen weißen Bart auf einer grünen Stute und mit einem Spieß („charbe“) in seiner rechten Hand, mit dem er seine Feinde tötet. Dieser ist der Scheich, den sie mit heiliger Scheu verehren. [...] An der Westseite des Dorfes, nördlich der Kirche, liegt ein anderes muslimisches Heiligtum, welches auch sehr verehrt wird. Hier steht ein antikes und sehr merkwürdiges Gebäude, mit Kuppeln und Gewölben. Es heißt einfach Scheich ‘Obeid. Ich habe keinen Zweifel daran, dass dieser sonst unbekannte Scheich ‘Obeid in einer Beziehung mit Mu‘adh ibn Dschabal steht und dass sich dahinter ein anderer berühmter Held aus der Epoche der muslimischen Eroberung verbirgt, der der Pest von Amwas zum Opfer fiel; ich meine General Abu ‘Obaida ben al Dscharrah, der die Armee der Invasoren befehligte und dem Mu‘adh ibn Dschabal selbst als Befehlshaber folgte.
Charles Clermont-Ganneau, Archeological Researches in Palestine during the Years 1873-1874, Bd.1, London, 1899, S. 491-493, unsere Übersetzung, der Originaltext ist hier zu finden.
Bezüglich der muslimischen Heiligtümer in 'Amwas siehe auch: Früharabische Epoche.
In demselben Jahr 1874 veröffentlicht der französische Gelehrte Félicien de Saulcy eine Studie über die Münzkunde Palästinas, in welcher er einige Münzen beschreibt, die in Emmaus-Nikopolis in der römischen Epoche geprägt wurden (F. de Saulcy, Numismatique de la Terre Sainte, Paris, 1874, S. 172-175, siehe hier). Siehe auch: Spätrömische Epoche.
Im Jahre 1877 veröffentlicht der orthodoxe Archimandrit Benjamin Joannides (Βενιαμίν Ιωαννίδης) in Jerusalem einen Reiseführer (Προσκυνητάριον), in welchem er beweist, dass Amwas das Emmaus der Makkabäer und zugleich das des hl. Lukas ist (Βενιαμίν Ιωαννίδης, Προσκυνητάριον της Αγίας Γης, Ιερουσαλήμ, 1877, Τευχος Ά, S. 28-30, der Original-Text ist hier zu finden, siehe auch hier: M. J. Schiffers, Amwas, das Emmaus des hl. Lucas, Freiburg im Breisgau, 1890, S. 221-222, Vincent & Abel, Emmaüs, Paris, 1932, S. 381, siehe hier; Duvigneau, Emmaüs - le site, le mystère, Paris, 1937, S. 84, Fußnote 1 und S. 111-112, siehe hier).
In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden die Offiziere der britischen Armee, C.R. Conder und H.H. Kitchener vom Palestine Exploration Fund beauftragt, eine systematische geographische Beschreibung des Heiligen Landes zu erstellen. Leutnant Kitchener, zukünftiger britischer Lord, Marschall und Politiker, besucht Amwas 1877:
Nach der Erforschung der Gegend des Landes ritt ich nach Amwas, um die Kirche zu besichtigen. Ich betrat die Moschee und vermaß sie. Als ich sie verließ, traf ich auf eine Menge Leute, die mir sagten, es sei ein höchst heiliger Ort, nämlich das Grab des Scheich Obeid. Ich entschuldigte mich, dass ich mit meinen Schuhen hineingegangen war. Die Leute waren sehr höflich und zuvorkommend und obwohl ich einen türkischen Soldaten bei mir hatte, äußerten sie ihren brennenden Wunsch, England solle das Land übernehmen, um ihnen die Vorteile einer gerechten Regierung zu gewähren. Es gelang mir nicht, sie davon zu überzeugen, dass England gar keine Absicht habe, irgendetwas in dieser Hinsicht zu unternehmen. An diesem Tag hatte eine Hochzeit stattgefunden und der Bräutigam musste für eine gewisse Menge Schießpulver für die Freudensalven für den Anlass aufkommen. Die jungen Männer waren klugerweise dazu entschlossen, damit auf Zielescheiben zu schießen, statt es nutzlos zu vertun, und sie übten sich darin recht gut. In einem gewissen Moment bildeten sie vor der Moschee eine Reihe, mit dem alten Scheich vor ihnen, und verrichteten ihre Andachtsübungen. Sie waren sehr eifrig dabei zu beten, dass Gott dem Sultan den Sieg verleihen und die Moskowiter verwirren solle [es handelt sich um den russisch-türkischen Krieg von 1877-1878 –Anmerkung des Übersetzers]. Nachher ging ich, um die Überreste der prächtigen Kirche zu besuchen. Die Steine sind sehr groß und die Kirche stammt, meiner Meinung nach, aus einer Zeit vor der Kreuzfahrer, wahrscheinlich aus dem 5. Jh. Dann besichtigte ich die schönen Reste der Kreuzfahrerburg von Latrun; sie muss ein wichtiger Ort gewesen sein und ist noch recht gut erhalten...
H. H. Kitchener, Journal of the Survey, PEF Quarterly Statement, London, 1878, S. 66, unsere Übersetzung, der Originaltext ist hier zu finden.
H. H. Kitchener
Das Gebiet von 'Amwas und Latrun auf der Karte des Palestine Exploration Fund, zusammengestellt von Conder und Kitchener
("Map of Western Palestine from Surveys conducted for the Committee of the Palestine Exploration Fund by Lieutenants C. R. Conder and H. H. Kitchener during the Years 1872-1877", London, 1880)
Im Frühjahr 1878 empfängt eine mystisch begabte Karmelitin von Betlehem, die heilige Marie vom gekreuzigten Jesus (mit bürgerlichem Namen Mariam Baouardy) eine Offenbarung über die Kirche von Emmaus-Nikopolis, die zum Erwerb des Grundstücks durch ihr Kloster führt. In einem Brief vom 5. Mai 1878 teilt sie ihrem geistlichen Vater mit:
… Der Herr hat mir einen Ort gezeigt, und dass es dort eine große Kapelle geben wird, zu der alle Wallfahrten hinführen werden. Es wurde mir gesagt, dass es unter der Erde eine Kirche gibt und in dieser Kirche in alter Zeit, vor der Ankunft der Kreuzfahrer, eine Kirche zu Ehren des wahren Ortes von Emmaus gestanden hätte, in der unser Herr das Brot segnete, wodurch die Jünger Ihn erkannten. Es wurde mir gesagt, dass die Türken hier eine Moschee gemacht haben und der Ort mehrere Jahre lang in ihren Händen blieb. Kein einziger Christ ist im Land geblieben: die einen wurden getötet, andere entkamen und wieder andere wurden zu Türken [das heißt zu Muslimen - Anmerkung des Übersetzers]. Als die Christen diese Verfolgung kommen sahen, vergruben sie einen kleinen Stein, auf dem diese, von den zwei Jüngern selbst geschriebenen, Worte stehen: „Hier hat der Herr das Brot gesegnet und sich ihnen offenbart.“ Sie vergruben auch den steinernen Tisch, auf dem der Herr das Brot gesegnet hatte. All das ist nicht bekannt und verborgen, und dies sind die einzigen Dinge, die im Heiligen Land intakt geblieben sind, wie zur Zeiten unseres Herrn. Es wurde mir gesagt, dass ich, sollte ich diesen Ort sehen, ihn erkennen würde. Darüber bestanden lange Zeit Zweifel und ich wusste nichts davon.
Hl. Marie vom gekreuzigten Jesus
(Mariam Baouardy)
Das [lateinische] Patriarchat wünscht diesen Ort zu entdecken, um ihn zu kaufen, ebenso die Franziskaner, und auch die Schismatiker. Und die ganze Welt zweifelt noch. […] Ich selbst habe es mir in den Kopf gesetzt und wenn Gott mich dazu inspiriert, werden wir [den Ort] kaufen; er wird weder für die Einen noch für die Anderen sein. […] Wenn Jesus es möchte, wird er schon wissen, wie er das Geld schickt. […] Betet, dass dies nicht zu einem Anlass der Spaltung werde. Mir ist noch etwas entfallen: Es wurde mir auch gesagt, dass der Ort, den die Franziskanerbrüder als Emmaus hüten [d.h.: Qubeibe - Anmerkung des Übersetzers] einmal ein Kloster gewesen ist, in dem mehrere Wüstenväter umgebracht worden sind. Es ist durch das Blut der Märtyrer, welches diese Erde getränkt hat, ein geheiligter und sehr wertvoller Ort. Ich habe Hochwürden Pater Guido verständigt, dass man die Ruinen der Zellen und Überreste der Väter und Bischöfe bei Ausgrabungen finden würde.
Lettres de la Bienheureuse Marie de Jésus Сrucifié, éditions du Carmel, 2011, S. 504-506, siehe hier, unsere Übersetzung.
Am 7. Mai 1878 begleitet Schwester Mariam ihre Oberin sowie die Novizenmeisterin des Klosters auf deren Reise nach Nazareth. Pater Denis Buzy, der seine Informationen aus den Annalen des Karmels Bethlehem zog, gibt uns den folgenden Bericht über diese Reise:
Am 7. Mai brachen die Reisenden auf und fuhren durch Sankt Johannes im Gebirge [das heißt En Kerem - Anmerkung des Übersetzers], Emmaus und Jaffa, nahmen das Schiff bis nach Haifa und erreichten Nazareth über Schefa-Amar. […] Von allen Etappen der Reise war die bemerkenswerteste diejenige von Emmaus. Einige Wochen vorher hatte Schwester Marie vom gekreuzigten Jesus in Ekstase gesagt, dass Gott ihr den Ort gezeigt habe, an dem der auferstandene Retter in Gegenwart der Jünger das Brot gesegnet hatte. Von diesem Ort sei ihr ein Zeichen gegeben worden, wodurch sie ihn erkennen kann. […] Am Abend des 8. Mai hielt der Wagen, in dem die Reisenden fuhren, bei einem Gasthaus am Fuße des kleinen Ortes el Atrun [d. h. Latrun]. Ohne auf den Führer zu warten, läuft Schwester Marie vom gekreuzigten Jesus, die nie durch diesen Ort gekommen war, in der Entzückung der Ekstase voraus und lässt ihre Gefährtinnen weit hinter sich. Diese beeilen sich ihr zu folgen. Sie rennt beinahe, so erzählt die Novizenmeisterin. Nach einigen Minuten kommt sie bei einer Anhöhe an, auf der einige unförmige Ruinen zwischen hohen Gräsern auftauchen. Bewegt hält sie inne, wendet sich zu den ihr folgenden Schwestern und sagt mit lauter Stimme: „Dies ist wirklich der Ort, an dem der Herr mit seinen Jüngern gegessen hat“ …
Denis Buzy, Vie de Sr. Marie de Jésus Crucifié, Bar-le-Duc – Paris, 1921, S. 100-101, siehe hier, unsere Übersetzung.
Eine unveröffentlichte Handschrift über diese Reise, die in den Archiven des Klosters aufbewahrt wird, berichtet: als der Wagen nahe an Abu Gosch vorbeifuhr, teilte die heilige Mariam ihren Schwestern mit, dass dies der Ort sei, an dem Jesus die beiden Jünger auf dem Weg getroffen habe. Von dort aus seien sie auf einem kürzeren Weg als dem, der heute benützt würde, nach Emmaus gegangen.
Berthe Dartigaux
Auf die Prophetie der heiligen Mariam hin kauft die französische Dame Berthe de Saint-Cricq d’Artigaux (Dartigaux), im Mai 1879 das Grundstück der Kirche von Emmaus. Frau Dartigaux zahlt den Bewohnern von Amwas eine Summe von zwanzigtausend Francs für das drei Hektar große Grundstück und vermacht es dem Karmel von Bethlehem. In den Jahren 1880-1888 führt der Architekt Jean-Baptiste Guillemot, Hauptmann der französischen Armee, auf ihren Auftrag hin, die Freilegung der Ruinen durch. Ein erstes Haus entsteht auf der Anhöhe über den Ruinen, um den Architekten zu beherbergen. Neben dem Haus baut man eine kleine Kapelle (siehe: Paul Tavardon, Trappistes en Terre Sainte, Bd. 1, S. 75-76 und 92).
Basilika von Emmaus vor den Ausgrabungen von 1880-1888. Im Hintergrund: Ruinen der Kreuzfahrerburg Latrun. “Picturesque Palestine”, Ch. Wilson, Hrsg., London, 1881-84, Bd. III, S. 152, Zeichnung von Harry Fenn).
Von Berthe Dartigaux erbautes Haus über den Ruinen
(Foto veröffentlicht von Louis Heidet in: "Der letzte Einsiedler Palästinas", Köln, 1913 (S. 89)
Im März 1882 berichtet Hauptmann Guillemot in der französischen Wochenzeitung Les Missions Catholiques über seine archäologische Entdeckungen:
Die Kirche von Amwas ist nicht geostet; die Fassade schaut nach Nord-Westen, daher sind die Apsiden dem Süd-Osten zugewandt. Vor den Ausgrabungen war dieser Bau so sehr verschüttet, dass es unmöglich war, seinen Plan zu erfassen. Einige schöne Steinreihen der Hauptapsis und nur ein Teil des Gewölbes der linken Apsis (auf der Epistelseite) waren sichtbar. Die Ausgrabungen wurden neben dieser letzteren Apsis begonnen. In ungefähr einem Meter Tiefe war die Apsis von muslimischen Gräbern antiken Aussehens umgeben, und in der Mitte der Apsis wurde eine spät ausgehöhlte Nische entdeckt. An diesem Ort fand ich das Grab eines muslimischen Heiligen, das man an seiner Verzierung in Form des traditionellen Derwisch-Turbans einfach erkennen konnte. Das alles ließ mich annehmen, dass diese Seite der Kirche in eine Moschee umgewandelt worden war.
Grab eines muslimischen Heiligen, von J.-B. Guillemot entdeckt
Ich überspringe schnell die Entdeckung mehrerer jüdischer Gräber, die in den Felsen gehauen waren, um einen Moment nahe eines eigenartigen, in Eile aus Steinen von unterschiedlicher Größe und Herkunft errichteten Baus innezuhalten. Darin fand ich, inmitten eines Haufens menschlicher Knochen, mehr als hundert Glasgefäße (Ampullen), von denen zwanzig noch intakt herausgeholt werden konnten. An keinem dieser Steine fand ich Spuren von einem Werkzeug der Kreuzfahrer; sie schienen mir jedoch aus einer früheren Zeit zu stammen. Der Bau war sicherlich weder jüdisch noch muslemisch, es gab jedoch auch kein einziges Kreuz. Einige Schritte von diesem merkwürdigen Ossuarium entfernt zeigte mir ein alter Ofen den wirklichen Grund des Verschwindens dieser schönen, weißen, von Statuen und antiken Monumenten stammenden Marmorsteine. Rund um diesen Ofen herum lagen zahlreiche behauene Trümmer, von denen einige halb verkalkt waren, man hatte sie zur Erzeugung von Kalk genutzt. Die Ausgrabungen wurden rund um die Kirche herum fortgesetzt, die so langsam von ihrem „Grabtuch“ aus Erde und Trümmern befreit wurde. Man fand zahlreiche Stücke von Sockeln, Kapitellen, Säulen und Gebälken, antike Töpferei, Mosaiksteine in allen Farben, kurz alles, was man überhaupt in antiken Monumenten Palästinas findet - aber noch keine Inschrift. Wir hatten mehr Glück bei der rechten Apsis (auf der Evangelienseite), wo verschiedene Anzeichen uns dazu veranlassten, unsere Aufmerksamkeit zu verdoppeln.
Die nördliche Apsis, der Ort der Entdeckung des ionischen Kapitells mit samaritanischen und griechischen Inschriften. (Abbildung von J.-B. Guillemot, veröffentlicht in: „Emmaus-Amoas“, „Les missions catholiques“, Nr. 665, 3. März 1882, S. 106).
A - Die Verbindung der Kreuzfahrerkirche mit der byzantinischen Apsis
B - Byzantinisches Mauerwerk
C - Die die Apsis abschließende Wand
D - Der in die Wand eingelassene Säulenfuß
E- Kapitell mit einer samaritanischen und einer griechischen Inschrift
Zu dem in die Wand eingelassenen Säulenfuß bemerkt J.-B. Guillemot: „In Palästina sind viele [christliche] Heilige Stätten nur durch ein Stück einer Säule, eines Sockels oder eines Kapitells gekennzeichnet, das in eine Mauer eingelassen ist“ (siehe auch: Vincent & Abel, ‚Emmaüs‘, Paris, 1932, S. 136, Fußnote 2).
Hier fanden wir das merkwürdige ionische Kapitell mit zwei Inschriften, die später von Pater Bargès veröffentlicht wurden [...] Herr Clermont-Ganneau hat davon auch eine Zeichnung erhalten und diese ohne Zögern entziffert, obwohl die Schriftzeichen unklar waren. Die bemerkenswerteste dieser Inschriften ist in Hebräisch-Samaritanisch, sie nimmt zwei Zeilen auf einer ihrer Länge nach durch eine Rille geteilten Tafel ein. Diese Tafel ist absichtlich zwischen den beiden Voluten mit zwei nachgeahmte Schwalbenschwanzverbindungen angebracht, was beweist, dass die Inschrift in der Komposition des Kapitells vorgesehen war.
Um die Übersetzung der Inschrift zu erleichtern, ordne ich die samaritanischen Schriftzeichen auf einer einzigen Zeile an, mit den entsprechenden lateinischen Buchstaben darunter, aber rückwärts: die semitischen Schriften lesen sich von rechts nach links.
Dreht man die lateinischen Buchstaben in ihrer Richtung um, von links nach rechts, erhält man: BRWK ŠMW L'WLM. Jeder semitische Buchstabe, dem kein alef, kein jod oder kein waw folgt, besitzt die Kraft eines Konsonanten, verbunden mit einem Vokal, und man liest sie so:
BARUCH SCHEMO LE‘OLAM: Sein Name sei gesegnet auf ewig! [...]
Nun, an wen ist dieser Wunsch gerichtet? Denn offensichtlich ist der Satz: „Dein Name sei auf ewig gesegnet!“ nicht vollständig. Wir werden seine Ergänzung finden, wenn wir das Kapitell umdrehen, das auf seiner gegenüberliegenden Seite eine andere Inschrift trägt. Die Überraschung ist für einen Archäologen überaus groß: anstelle der Tafel finden wir hier zwischen den Voluten eine Art Muschel, in der man eine griechische Inschrift aus der spätrömischen - frühen byzantinischen Zeit liest:
„ΕΙΣ ΘΕΟΣ“ – „EIN EINZIGER GOTT“.
Hier ist die vollständige Bedeutung der hebräisch-samaritanischen Inschrift: „Ein einziger Gott, Sein Name sei gesegnet auf ewig!“ Wir stehen also einem Satz gegenüber, der einen einzigen Gedanken mit Hilfe von zwei verschiedenen Sprachen und den ihnen eigenen Schriftzeichen ausdrückt. Die Inschrift stammt aus einer späteren Epoche. Clermont-Ganneau besitzt Beweise dafür, dass solche Inschriften aus der Zeit zwischen dem 3. und dem 6. Jahrhundert stammen. [...]
Es erschien mir nützlich, den genauen Ort [...] der doppelten Inschrift in einem geschriebenen Protokoll niederzulegen. Was solche ernste Forschungen betrifft, kann man nicht genug Vorsicht walten lassen. [...] Die wichtigsten Teile der Kirche von Amwas sind noch nicht ausgegraben worden. Das sind: der Bereich hinter den drei Apsiden, das Innere des Kirchenschiffes aus der Kreuzfahrerzeit und das Innere der römischen Apsis.
J.-B. Guillemot, Emmaüs-Amoas, veröffentlicht in: Les Missions Catholiques, N. 665, 3. März 1882, S. 103–106, unsere Übersetzung. Der vollständige französische Text des Berichtes ist hier zu finden.
Aus diesem Text geht hervor, dass Hauptmann Guillemot die Apsis der Basilika von Anfang an irrigerweise bis in die Römische Epoche datiert.
Das von Guillemot erwähnte Protokoll wurde am 26. Juni 1881 in Emmaus in Anwesenheit der Patres Alphonse-Marie Ratisbonne, Antonio Belloni, Felix Valerga und anderer aufgezeichnet (siehe den Artikel Les deux Emmaüs, veröffentlicht von M.-Th. Alleau in Missions Catholiques, 1881, S. 345-346, siehe hier). Der Vize-Konsul von Frankreich in Jaffa, der Orientalist Charles Clermont-Ganneau, der 1874 schon eine erste archäologische Untersuchung in Amwas unternommen hatte (siehe oben), befand sich auch im Laufe derselben Tage an Ort und Stelle. Ihm gelingt es, die samaritanische Inschrift des ionischen Kapitells zu entziffern (siehe oben den Bericht von Hauptmann Guillemot). In seinen Premiers rapports sur une mission en Palestine et en Phènicie, Paris, 1882, S. 16-38, siehe hier, erstellt Clermont-Ganneau eine interessante Analyse der von Guillemot entdeckten Inschriften (Der Bericht von Clermont-Ganneau wurde auch auf Englisch veröffentlicht in: Palestine Exploration Fund, Quarterly Statement, 1882, S. 22-37, siehe hier; und: C.R. Conder, H.H. Kitchener, The Survey of Western Palestine, Bd. 3, London, 1882, S. 72-81, siehe hier). Der Forscher bestätigt, dass die drei Apsiden der Kirche von Amwas auf die Byzantinische Epoche zurückgehen. Die irrtümliche Meinung von Hauptman Guillemot, die die Kirche der Römischen Epoche zuschrieb, hielt sich jedoch in der wissenschaftlichen Forschung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts.
(...) VETUS (...)
(...)MA MIL(es)
(legionis) V MAC(edonicae)
(Sammlung des Louvre-Museums)
Auf seinen Rundgängen in der Umgebung von Amwas entdeckt Clermont-Ganneau noch einige Inschriften und veröffentlicht sie in: Ch. Clermont-Ganneau, Mission en Palestine et en Phénicie, Paris, 1884, S. 60-63, 105-106, siehe hier. Eine dieser nahe von Latrun gefundenen Inschriften gehörte zur Grabplatte eines römischen Soldaten der V. mazedonischen Legion (siehe hier: Ch. Clermont-Ganneau, Archeological Researches in Palestine during the Years 1873-1874, London, 1899, Bd. I, S. 483, sowie in: Ephemeris Epigraphica, 1884, Bd. V, S. 620, siehe hier; CIIP, Bd. IV, Teil 1, Berlin/Boston. 2018, S. 472-473, siehe hier).
Die byzantinische Inschrift von Amwas, veröffentlicht von Charles Clermont-Ganneau (Ch. Clermont-Ganneau, „Mission en Palestine et en Phénicie“ , Paris, 1884, S. 106, siehe auch hier: CIIP, Bd. IV, Teil 1, Berlin/Boston. 2018, S. 481)
„Möge Gamus sein ganzes Leben lang glücklich sein“
Clermont-Ganneau erwähnt auch Reste römischer Aquädukte zwischen Amwas und Latrun:
Von den Fellachen erfuhr ich, dass es in alten Zeiten einen großen Aquädukt gegeben habe, der Wasser von Bir et-Tine (nahe der heutigen Straße, nicht weit von Bir Ajub) nach Amwas brachte. Dieser Aquädukt ist wahrscheinlich derjenige, von dem die Überreste südlich von Amwas noch erkennbar sind. Ein anderer sehr langer Aquädukt entlädt seinen Inhalt nahe von Amwas, nachdem er sich um den Hügel, auf dem Latrun liegt, herumgewunden hat. Alle diese sehr bemerkenswerten hydraulischen Anlagen müssen wohl das Werk der Römer gewesen sein, die Emmaus-Nikopolis zu einem ihrer Haupt-Militärstützpunkte in Palästina gemacht hatten.
Ch. Clermont-Ganneau, Archaeological Researches in Palestine during the Years 1873-1874, London, 1899, Bd. 1, S. 488, siehe hier. Unsere Übersetzung
Das von Hauptman Guillemot entdeckte Kapitell mit der doppelten Inschrift sowie einige andere samaritanische Inschriften, die in Amwas gefunden wurden, reichen nicht vor die byzantinische Epoche zurück (siehe: M. de Vogüe, Nouvelle inscription samaritaine d’Amwas, RB 1896, S. 433ff, siehe hier). Der Fund dieses Kapitells in der byzantinischen Kirche kann so erklärt werden: Nach der Niederschlagung ihrer Revolte von 531 wurden die Samariter dazu gezwungen, die Kirchen, die sie im Land zerstört hatten, auf eigene Kosten wieder aufzubauen. Es ist anzunehmen, dass sie die Basilika von Emmaus mit den Steinen ihrer eigenen Synagoge ausbesserten (siehe: Vincent & Abel, Emmaüs, Paris, 1932, S. 264-266, siehe auch: Byzantinische Epoche). Im Gegensatz zu dem, was Pater Germer-Durand in der Revue bénédictine, 1890, Bd. VII, S. 433-436, behauptet, kann das Kapitell also nicht der in der Prophetie der heiligen Mariam (siehe oben) erwähnte Stein sein.
1882 besuchen die oben erwähnten britischen Offiziere Conder und Kitchener die Ausgrabungen von Amwas. In ihrem Werk Survey of Western Palestine, London, 1883 (Bd. 3, S. 63ff, siehe hier), geben sie davon eine Beschreibung, die auf dem Bericht des Hauptmann Guillemot gründet (siehe oben). Sie berichten jedoch von einigen neuen Details, unter anderem, dass man im Osten der Kirche zahlreiche Knochen sowie ein Halskreuz gefunden hat. Die Autoren nehmen an, dass sich hier, vor der Eroberung durch die Moslems, ein christlicher Friedhof befunden hat. Das Buch beinhaltet auch neue Pläne der Kirche von Amwas.
Pläne der Basilika von Amwas, veröffentlicht von Conder und Kitchener im Jahr 1883
1883 entdeckt Hauptmann Guillemot, während seiner fortschreitenden Ausgrabungen im Nord-Osten der Kirche, ein kreuzförmiges Becken mit einer Zisterne sowie byzantinische Mosaiken, von denen eines den Bischof (von Nikopolis) erwähnt. Der deutsche Architekt Conrad Schick, der damals in Jerusalem als größte Autorität im Bereich der Archäologie galt, besucht die Ausgrabungsstätte. In seinem Bericht bezüglich der Forschungen vor Ort spricht Schick von einer Kirche die „aus zwei verschiedenen Zeiten stammt. Das ältere Bauwerk ist offenbar byzantinisch und zeichnet sich durch schöne grosse Steine aus; das jüngere ist durch die Kreuzfahrer errichtet, eine kleine einschiffige Kirche von etwas plumpem Styl, die nur den mittleren Teil des byzantinischen Gebäudes bedeckt hat“. (Conrad Schick, ZDPV, VII, 1884, S. 15 ff, ebenso die Tafel Nr. 1, der vollständige Text ist hier zu finden; siehe auch hier: PEF Quarterly Statement, 1883, S. 118).
Conrad Schick
Der Plan der Basilika und die Skizze der Taufkapelle, veröffentlicht von C. Schick.
Conrad Schick identifiziert das kreuzförmige Becken als Baptisterium aus dem 4. Jh. Die von C. Schick veröffentlichte Zeichnung des Taufbeckens ist nicht exakt (siehe hier: Vincent & Abel, Emmaüs, Paris, 1932, S. 244, Fußnote 1).
Die in dieser Etappe der Ausgrabungen entdeckten Inschriften wurden von Pater Germer-Durand in der Revue biblique von 1894, S. 253-257, veröffentlicht, siehe hier. Der Bericht des Hauptmann Guillemot über diese Etappe der Ausgrabungen wurde vom deutschen Theologen M.-J. Schiffers in Amwas, das Emmaus des hl. Lukas, Freiburg, 1890, S. 229-233 veröffentlicht (siehe hier). In diesem Bericht datiert Guillemot die Kirche von Amwas noch immer bis in die römische Zeit und schreibt seinen Bau erstmals Julius Africanus zu (3. Jh. n. Chr., siehe: Spätrömische Epoche). Eine kurze Zusammenfassung dieser Etappe der Ausgrabungen findet sich auch bei Clermont-Ganneau: Archeological Researches in Palestine during the Years 1873-1874, London, 1899, Bd. 1, S. 484-485, siehe hier.
Der, von Schiffers veröffentlichte, Plan der Basilika und der Taufkapelle von Emmaus, basiert auf den Untersuchungen von Hauptman Guillemot (M.-J. Schiffers, „Amwas, das Emmaus des hl. Lucas“, Freiburg im Breisgau, 1890, siehe hier). Der Plan der Taufkapelle ist ungenau (siehe hier: Vincent, Abel, „Emmaüs“, Paris, 1932, S. 244, Fußnote 1).
Eine Skizze des von Hauptman Guillemot in der Nähe der Taufkapelle entdeckten Mosaiks, das einen Bischof von Nikopolis erwähnt (Vincent & Abel, „Emmaüs“, Paris, 1932, Bild XVIII). Das Mosaik ist auf dem Plan Schiffers mit einem „B“ gekennzeichnet. Siehe auch hier: CIIP, Band IV, Teil 1, Berlin/Boston. 2018, S. 457-458
1886 veröffentlicht J.-B. Guillemot eine Broschüre über die Geschichte von Emmaus-Nikopolis. Darin versucht er, die genaue Lage des Hauses von Kleopas und der wundertätigen Quelle festzulegen, indem er sich auf Zeugnisse der byzantinischen Epoche stützt, der Original-Text ist hier zu finden.
Die Karte von Nikopolis und seiner Umgebung aus der Broschüre von Hauptman Guillemot. Die Stadt Nikopolis ist von einer Mauer umgeben. Die Basilika befindet sich außerhalb der Stadt, an der Kreuzung von drei Straßen.
In der Broschüre von J.-B. Guillemot findet sich das erste Foto der Ausgrabungen, das angeblich aus dem Jahr 1885 stammt (Vincent & Abel, „Emmaüs“, Paris, 1932, S. 27, siehe hier).
Im März 1887 stirbt Berthe Dartigaux. Hauptmann Guillemot fährt mit der Freilegung der Kirche von Amwas bis 1888 fort. Am Ende der Ausgrabungen werden die Mosaiken wieder mit Erde bedeckt und das Taufbecken durch einen Unterstand geschützt. Die entdeckten Objekte werden im Haus über den Ausgrabungen untergebracht und verschwinden mit der Zeit. Das Kapitell mit der doppelten Inschrift befindet sich im Karmel von Betlehem (siehe Vincent & Abel, Emmaüs, Paris, 1932,, S. 5, siehe hier).
Später wurden die von J.-B. Guillemot durchgeführten Ausgrabungen aufgrund eines Mangels der wissenschaftlichen Methode kritisiert:
...Im Laufe dieser Arbeiten und wegen des Reizes der ersten Entdeckungen überwog der Wunsch, sich so schnell wie möglich Erkundigungen über Natur, Charakter und Datierung der Überreste des Monuments beschaffen, über die Anforderungen einer streng archäologischen Methode. Man begnügte sich manchmal damit, die Trümmer woandershin zu verlegen, indem man die schon gesichteten Stellen wieder zudeckte […] Man sichtete die Seitenschiffe ziemlich weit entfernt vor den Apsiden, aber ohne zu versuchen, das schreckliche Gewirr der Trümmer zu durchkämmen, und konzentrierte seine ganze Anstrengung auf das geschlossene Kirchenschiff, das der zentralen Apsis entspricht. In der Eile und als erste Etappe der Arbeit beschränkte sich man darauf, die Trümmer über die Mauern zu werfen, indem man die alten Steinhaufen mit neuen überlagerte, die dadurch noch unentwirrbarer wurden. Um 1887-8 wurde das Kirchenschiff bis zum Sockel der Mauern freigelegt, und bevor man die Forschung des antiken Bodens vorantreiben konnte, wurde es notwendig, die Trümmerhaufen, deren Gipfel schon den Rand der Mauern überragten, woanders hin zu verlegen. Statt dieser radikalen Räumung und einer schlussendlichen Erforschung wurden die Ausgrabungen jedoch plötzlich unterbrochen …
Vincent & Abel, Emmaüs, Paris, 1932, S. 4, siehe hier, unsere Übersetzung.
Die Ausgrabungen des Hauptmann Guillemot verursachten daher die völlige Zerstörung der archäologischen Schicht aus der Epoche der Kreuzzüge rund um die Kirche (D. Pringle, The Churches of the Crusader Kingdom of Jerusalem, Cambridge, 1993, Bd. 1, S. 59, siehe hier).
Foto der archäologischen Stätte mit dem Dorf ‘Amwas, 1890 von M.-J. Schiffers veröffentlicht ("Amwas, das Emmaus des hl. Lucas", Freiburg im Breisgau, 1890, siehe hier).
1887-90 lebte Pater Kleophas (Louis Viallet), ehemaliger Offizier der französischen Armee, als Einsiedler im Haus über den Ruinen (Louis Heidet, Der letzte Einsiedler Palästinas, Köln, 1913; P. Tavardon, Trappistes en Terre Sainte, Domuni-Press, 2016, Bd. 1, S. 75ff). Auf seine Initiative hin fanden die ersten Wallfahrten am Ostermontag nach Emmaus-Nikopolis statt. Die französische Wochenzeitung Les missions catholiques veröffentlichte darüber folgende Berichte:
Am 21. April 1889 schreibt man uns aus Jerusalem:
[...] (Emmaus-Nikopolis) scheint die Sympathien aller im Heiligen Land ansässigen französischen Gemeinschaften zu besitzen, denn am Ostermontag senden sie ihre Vertreter nach Amwas, um den auferstandenen Jesus, der den beiden Jüngern erschien, zu feiern. So kam es, dass fünfzehn Priester oder Ordensleute dieses Fest letzten Montag mit einigen Pilgern und Gläubigen, die sich ihnen angeschlossen hatten, in Amwas feierten. Die alte Kirche wurde freigelegt, aber nicht wieder aufgebaut; in Erwartung dieses glücklichen Tages, der nicht lange ausbleiben kann, hat man eine kleine vorübergehende Bleibe mit einer Kapelle gebaut, wo sich jeden Tag das Wunder der durch Jesus Christus für die beiden Jünger von Emmaus bewirkten Wandlung erneuert. Dieser Ort befindet sich auf der Straße von Jaffa nach Jerusalem, nicht weit von Latrun …
Les missions catholiques, 1889, S. 221, siehe hier, unsere Übersetzung.
Pater Kleophas (Louis Viallet)
Aus Jerusalem schreibt man uns:
Der Ostermontag war von einer doppelten Wallfahrt zu den beiden Emmaus geprägt. [...] Die Franziskaner ordnen Emmaus einem Dorf zu, Qubeibe genannt, welches drei Leugen weit im Nord-Westen von Jerusalem liegt. [...] Andere meinen, Emmaus in dem Dorf wiederzuerkennen, welches heute auf Arabisch den Namen Amwas trägt. Dieses Dorf liegt viel weiter weg von Jerusalem; man braucht ca. sechs Stunden, um es zu erreichen. [...] Pater Kleophas, der sich auf die antike Tradition sowie auf die Zeugnisse der wichtigsten modernen palästinakundigen Gelehrten, wie Clermont-Ganneau, Guérin und Vigouroux, stützt, bestätigt und bekräftigt, dass das Emmaus des heiligen Lukas sich in Amwas befindet. Dort hat er am 7. April dieses Jahres etwa vierzig Pilger, Priester und Ordensleute aus Jerusalem, Betlehem und Jaffa versammelt. Die Heilige Messe wurde von ihm vor dieser frommen Truppe in der von Zelttüchern überdeckten Basilika gelesen; es war das erste Mal seit den Kreuzzügen, dass unser Herr an diesem Ort, wo die glücklichen Jünger Ihn am Brechen des Brotes erkannt hatten, unter den sakramentalen Gestalten angebetet wurde. Das Besondere an dieser Wallfahrt war, dass zwei Priester des Patriarchats den Weg zu Fuß hin und zurück gingen und somit die Versicherung des Pater Kleophas bestätigten, der behauptet hatte, zu Fuß nicht mehr als fünfeinhalb Stunden von Amwas nach Jerusalem zu brauchen. Die Gegner der Meinung dieses ausgezeichneten Paters gaben vor, es sei unmöglich, den Hin- und Rückweg von Jerusalem nach Amwas an einem Tag zu schaffen. Die Priester des Patriarchats brauchten fünfeinhalb Stunden für den Weg bergab und sechs Stunden bergauf; und noch dazu befanden sich diese beiden Priester gar nicht in der Lage der beiden Jünger Jesu; einer der beiden war schon 52 Jahre alt, sie führen seit langen Jahren ein sesshaftes Leben und hatten vor allem nicht das Glück, mit Jesus zu essen, Seine Lehre zu hören und Ihn auf wunderbare Weise in ihrem Herzen zu empfangen.
Les missions catholiques, 1890, S. 316-317, siehe hier, unsere Übersetzung.
Amwas, Blick aus Norden,
„La Palestine illustrée“, Lausanne, 1888
Dorfbewohnerinnen von Amwas am Brunnen (Ende des 19. Jahrhunderts)
PP. L.-H. Vincent und F.-M. Abel
1890 wurde in Jerusalem ein Institut für Bibelforschung, die Ecole Biblique et Archéologique Française de Jérusalem, durch die Dominikaner unter der Leitung von Pater Marie-Joseph Lagrange gegründet. Diese Gründung sowie die ihr folgende Veröffentlichung der Enzyklika Provenditissimus Deus von Papst Leo XIII. führten die kritischen Methoden für das Studium der Bibel in der katholischen Kirche ein, und eine neue wichtige Etappe in der wissenschaftlichen Erforschung des Heiligen Landes begann.
Dominikanische Patres L.-H. Vincent und F.-M. Abel sollte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erheblich zur Erforschung von Emmaus beitragen. Viele Artikel über Emmaus wurden in der Revue Biblique, der Zeitschrift der Ecole Biblique veröffentlicht.
Der französische Forscher Pater Joseph Germer-Durand liefert uns in seinem 1897 veröffentlichten Artikel folgende Informationen über Emmaus:
Die Stadt Nikopolis stand westlich der Basilika gegenüber auf einem Hügel. Die Kirche befand sich in einem Vorort, der durch eine Brücke mit der Stadt verbunden war. Das heutige Dorf von Amwas nimmt nur einen kleinen Teil der alten Stadt ein. Man braucht nur einen Meter in den Boden zu graben, um Ruinen von Häusern aus schönen, zueinander passenden Steinen zu finden, und das über eine große Fläche hinweg! Wenn die Dorfbewohner etwas bauen wollen, brauchen sie nicht weit zu gehen, um schöne Baumaterialien zu finden: sie handeln sogar gelegentlich damit.
Echos de Notre-Dame, Januar 1897, S. 2-19, unsere Übersetzung, der Original-Text ist hier zu finden.
Pater J. Germer-Durand
Foto der Ausgrabungen, veröffentlicht von Pater Germer-Durand
So entdeckt man im Oktober 1890 in Amwas einen zweiten Stein mit einer samaritanischen Inschrift (siehe Artikel von M.-J. Lagrange in der „Revue Biblique“ von 1893, S. 114 ff., siehe hier. Zur Präsenz der Samaritaner in Emmaus siehe auch: byzantinische Epoche ). Im April 1896 findet man in Amwas auf einem Stein eine dritte samaritanische Inschrift („Revue Biblique“, 1896, S. 433-434, siehe hier). Siehe auch: CIIP, Bd. IV, Teil 1, Berlin/Boston, 2018, S. 453-456.
Samaritanische Inschrift, die 1896 in Amwas entdeckt wurde:
ופסח ה' על הפתח ולא יתן המשחית לבא
„Der Herr wird an der Tür vorübergehen und dem Vernichter nicht erlauben [darin] zu kommen“. (Exodus 12, 23)
"Talisman. Zu Schamrael. Lass Gott und alle seine heiligen Fürsten (Engel?) jeden Zauber von seinen Augen, von seiner Intelligenz und von seinen Sehnen abschaffen. Heilung im Namen…“
Im selben Jahr 1896 entdeckt man ein jüdisches Amulett (ein sehr feines Silberblatt mit Zeichnungen und einer aramäischen Inschrift) in einem der antiken Gräber von Amwas. Pater Vincent ordnet dieses Amulett dem 3. Jh. n. Chr. zu (L.-H. Vincent, Amulette judéo-araméenne, RB 1908, S. 382 ff., siehe hier; J. Naveh - S. Shaked, Amulets and Magic Bowls, 1985, S. 60-63, siehe hier ).
Altes jüdisches Grab in der Nähe von Amwas,
Revue Biblique 1899, S. 424 & 427, Fußnote 1, siehe hier.
1897 findet man einen anderen Grabstein eines Soldaten der V. mazedonischen Legion auf dem Hügel des „Römerlagers“ nahe Latrun. (Die erste Inschrift dieser Art wurde 1881 von Clermont-Ganneau gefunden, siehe oben).
Siehe: M.-J. Lagrange, Les Nouvelles des Jérusalem in der Revue Biblique von 1897, S. 131, siehe hier. Dem Autor des Artikels zufolge bestätigt der Fund, dass Vespasian sein Lager 68-70 n. Chr. in Amwas errichtete (Flavius Josephus, „Jüdischer Krieg“, 4, 8, 1 und 5, 1, 6, siehe: Frührömische Epoche). Der von Lagrange beschriebene Stein wird heute im Franziskanerkloster der Flagellation in der Altstadt von Jerusalem aufbewahrt. See auch: CIIP, Bd. IV, Teil 1, Berlin/Boston, 2018, S. 468-473.
„Caius Vibius Firmus, Soldat der V. mazedonischen Legion, aus der Zenturie von Pollio, Benefiziarier, diente 18 Jahre, lebte 40 Jahre, ist hier begraben. Saccia Primiginia hat (das Grab) für ihren Gatten gemacht.“
C VIBIUS FIRMUS MILE(es) LEG(ionis) V MAC(edonicae)
> (= Centuria) POLLIONIS BENEFICIARIUS MILITA(vit)
ANNIS XIIX VIXIT ANNIS XXXX I H(ic) S(itus) E(st)
SACCIA PRIMIGINIA CONIUGI SUO F(aciendum) C(uravit)
Foto: Garo Nalbandian
1898 entdeckt man noch einen ähnlichen Stein: siehe: Etienne Michon, Inscription d’Amwas in der Revue Biblique, 1898, S. 269, siehe hier (Der Stein befindet sich heute in der Ecole Biblique in Jerusalem).
„Lucius Sabinius von Amaseia, Soldat der V. mazedonischen Legion, aus der Zenturie von Stiminus, diente 25 Jahre...“
L(ucius) SABIN(i)
US AMASIO
MIL(es) LEG(ionis) V MAC (edonicae),
> (= Centuria) STIMINI
AN(norum) XXV MIL(itavit)
1897 entdeckt man in Madaba, in Transjordanien, eine Mosaikkarte des Heiligen Landes aus dem 6. Jh. n. Chr., auf der die Stadt Nikopolis dargestellt ist. ( M. Avi-Yona, The Madaba Mosaic Map, Jerusalem, 1954, S. 64 ; H. Donner, The Mosaic Map of Madaba, Kampen, 1992, S. 58; N. Duval, Essai sur la signification des vignettes topographiques, in: The Madaba Map Centenary, M. Picirillo, E. Alliata, Hrsg., Jerusalem, 1999, S. 139-140, siehe hier). Siehe: Byzantinische Epoche.
1899 beschreibt Pater Louis Heidet das Dorf von Amwas im Detail:
Heute ist Amwas ein Dorf von fast fünfhundert Einwohnern, alle Muslime. Bestehend aus mit groben Baustoffen gebauten Häusern, unterscheidet es sich in seinem Aussehen kaum von den ärmlichsten Dörfern im Lande. Hie und da kann der Besucher jedoch in den Mauern der Häuser mit Sorgfalt behauene Steine bemerken, die groß und schön aussehen; sie sind den Ruinen entnommen, die das Plateau und die Hänge der Hügel bedecken, auf denen sich das Dorf erhebt. Überall stößt die Hacke auf ebenmäßig behauene Steine von sechzig bis achtzig Zentimetern Breite – oder sogar noch größer – die auf dem Boden verstreut herumliegen: Säulenschäfte, Marmorkapitelle und Fundamente groß angelegter Bauten. Die zahlreichen Zisternen sind mit Trümmern angefüllt. Unlängst haben die Einwohner Reste einer römischen Badeanlage entdeckt. Man hat hier einige griechische, lateinische und hebräisch-samaritanische Inschriften gefunden; mehrere von ihnen wurden in der Revue Biblique veröffentlicht. [...] Der Umfang der Ruinen misst mehr als zwei Kilometer; das heutige Dorf nimmt höchstens ein Sechstel davon ein; der Rest des Ortes ist von Feigen-, Granatapfel- und Kakteenplantagen bedeckt. Ein ehemaliger französischer Hauptmann der Genietruppen, J.-B. Guillemot glaubt darin die Spuren einer alten Stadtmauer entdeckt zu haben. Fünfhundert Schritte im Süden dieser Ruinen sieht man am Fuße des Berges die Überreste einer römischen Basilika. [...Es folgt die Beschreibung der Ruinen der Basilika...]
Pater Louis Heidet
‘Amwas Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts,
Foto veröffentlicht von Louis Heidet in: „Der letzte Einsiedler Palästinas“, Köln, 1913 (S. 81)
Man kann an der Apsis der Kirche verschiedene, in den Felsen gehauene, Gräber sehen. Einige von ihnen enthielten zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung Ossuarien in Form von kleinen Sarkophagen, die man so oft in jüdischen Gräbern findet und die vom Anfang der christlichen Ära stammen. Auf den letzten Berghängen, deren eingeschnittene Flanke der Kirche Platz gemacht hat, liegen zahlreiche, von Menschenhand behauene, Steine verstreut; man begegnet dort noch Fundamenten von Wohngebäuden sowie Öl- und Weinpressen: all dies zeugt von einer Siedlung, die zweifellos aus der gleichen Epoche wie die oben genannten Gräber stammt.
Bei dem vor der Kirche liegenden „Trivium“, welches durch das Zusammenkommen dreier antiker Straßen von Eleutheropolis, von Gazer und von Jerusalem über Kariat-Jearim gebildet wird, endet ein Kanal. Dieser läuft um Latrun herum und verliert sich nach dreitausendsiebenhundert Metern, nicht weit vom Weg nach Jerusalem, am südlichen Fuße des Ras-el Aqed. Die Quelle, die ihn gespeist hat, ist verschwunden...
Zweihundertfünfzig Schritte von der Kirche und im Süden des Dorfes gibt es zwei große und unerschöpfliche Brunnen mit lebendigem Wasser, fünfzig Fuß voneinander entfernt. Gegen Ende des Sommers, wenn es fast allerorts an Wasser mangelt, kommen die Hirten noch von überall her, um dort ihre zahlreichen Schaf-, Ziegen-, Kuh- und Ochsenherden zu tränken.
Ein wenig weiter unten zeigen die Dorfbewohner einen anderen mit Erde gefüllten Brunnen her: sie nennen ihn Bir-et-Ta’un, „Pestbrunnen“, denn sie sagen, dass von diesem Brunnen einmal die Pest ausging, die das Land heimsuchte. Im Norden entspringen zwei klare Quellen von zwei Seiten des Tales her, welches sich unter den Ruinen der Stadt befindet. Das Wasser jener Quellen vereinigt sich in einem Bach, der sich weit entfernt in der Landschaft verliert.
Eine der Quellen wird ‘Ajn-el-Hammam, „Bäderquelle“ genannt, vielleicht, weil sie einmal die Bäder der Stadt gespeist hat. Gleich daneben verlief ein Kanal, der deren Wasser zu verschmähen schien, um weiter im Osten andere Gewässer in sich aufzunehmen. Waren es die von der Quelle von Ajn-el-Aqed, die so ergiebig ist und sich am Fuße des Gipfels gleichen Namens einen Kilometer von Ajn-el-Hammâm entfernt befindet, oder die einer vierten, heute ausgetrockneten Quelle? Dieser Kanal, der sich verliert, führt uns nicht mehr zu seinem Ursprung.
Amwas am Anfang des 20. Jh., Blick aus Osten (Matson collection)
Fünfhundert Schritte südlich von der Kirche befindet sich ein Sumpf, aus dem das ganze Jahr hindurch große Gräser wachsen. Es muss an diesem Ort eine oder mehrere Quellen geben, die durch die von den benachbarten Hügeln abgerutschte Erde verschüttet sind. Ein wenig weiter gegen Süden gießen zwei Schöpfräder, von denen eines über einem alten Brunnen gebaut ist, den ganzen Tag lang Sturzbäche von Wasser. Damit bewässern die Trappisten, die am Hügel von Latrun wohnen, ihren weitläufigen Garten und ihre Bananenplantagen und andere Obstbäume. Im Osten von Latrun bilden die Brunnen von Bir-al-Helu, Bir-el-Qasab und Bir-Ajub, drei- oder vierhundert Schritte voneinander entfernt, eine Reihe entlang der modernen Straße und bieten ihr Wasser den Reisenden und unzähligen, aus der Philisterebene kommenden, Kamelkarawanen an. Wenn auch dem Zeugnis der Geschichte und den Aussagen der Bewohner des Landes nach mehrere Quellen verschwunden sind, bleibt Amwas nichtsdestoweniger ein einzigartiger Ort in der ganzen Gegend des antiken Judäas und sogar Samariens, auf Grund der Anzahl seiner Brunnen und seines Überflusses von Wasser.
L. Heidet, Emmaüs, Artikel, veröffentlicht in: F. Vigouroux, Dictionnaire de la Bible, Paris, 1899, Bd. 2, Kolumnen 1735-1748, unsere Übersetzung, der Original-Text ist hier zu finden
Pater Barnabé Meistermann
1902 veröffentlicht der Franziskaner Barnabé Meistermann (Barnabé d‘Alsace) eine Forschung über Emmaus-Nikopolis, in der er, wie J.-B. Guillemot, die Meinung vertritt, das Gebäude der Basilika in Amwas ginge auf die römische Epoche zurück. Meistermann behauptet, vor dem 5. Jh. wären keine Kirchen mit 3 Apsiden gebaut worden, und versucht zu beweisen, dass die Basilika von Amwas ursprünglich als Therme gedient hätte, bevor sie während der byzantinischen Epoche in eine Kirche umgewandelt worden sei. (B. Meistermann, Deux questions d’archéologie palestinienne, Jerusalem, 1902, der vollständige Text ist hier zu finden; siehe auch die deutsche Rezension dieses Buches durch Immauel Benzinger: ZDPV, 1902, S. 195 -203, siehe hier).
Plan der Ausgrabungen veröffentlicht von Pater Meistermann im Jahre 1902
Plan der Taufkapelle veröffentlicht von Pater Meistermann
Skizze von Mosaikmustern vor der Taufkapelle, veröffentlicht von Pater Meistermann
Meistermanns Theorie wird von Pater L.-H. Vincent von der Ecole Biblique kritisiert, siehe: Les ruines d’Amwas (Revue Biblique, 1903, S. 571-599, siehe hier), der eine detaillierte Beschreibung der Ruinen der Kirche bietet und beweist, dass Meistermann eine irrige Interpretation der archäologischen Gegebenheiten anführt. In Erwartung neuer archäologischer Ausgrabungen weigert sich Pater Vincent, eine genaue Datierung des Gebäudes der Basilika anzugeben. Trotzdem vertritt er die Meinung, dass die Ruinen von Amwas „zu einer christlichen Basilika aus der byzantinischen Epoche gehören, die von den Franken in der Kreuzfahrerzeit restauriert wurde“.
Fotos, veröffentlicht von Pater Vincent in „Revue Biblique“, im Jahr 1903
Plan der Ausgrabungen veröffentlicht von Pater Vincent in „Revue Biblique“, im Jahr 1903
1913 wurde in einem Feld westlich von Amwas ein Stein entdeckt, der eine unvollständige Inschrift auf Griechisch trägt. Pater Paul Couvreur, von der Abtei von Latrun, stellt einen Bezug zwischen diesem Stein und einem anderen Fragment her, welches dreißig Jahre früher in derselben Gegend gefunden wurde, und rekonstruiert die griechische Inschrift: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, schön ist die Stadt der Christen“ (siehe: Revue Biblique, 1894, S. 255, siehe hier und Revue Biblique, 1913, S. 100, siehe hier).
Das Original der Inschrift befindet sich in Jerusalem im Museum von der Kirche von St Anna.
Siehe auch: CIIP, Bd. IV, Teil 1, Berlin/Boston. 2018, S. 465-466
Während des Ersten Weltkrieges (1914-1917) sind Einheiten der osmanischen Armee in der Abtei von Latrun und in den Ruinen von Amwas stationiert. Die Mönche von Latrun deutscher Herkunft werden in die Armee eingezogen, während diejenigen französischer Nationalität des Landes verwiesen werden (P. Tavardon, Trappistes en Terre Sainte, Domuni-Press, 2016, Bd. 1, S. 285-298). Die türkischen Soldaten verursachen beträchtliche Schäden sowohl am Kloster von Latrun als auch an den Ruinen von Amwas. Der obere Teil des byzantinischen Taufbeckens sowie die Chorschranke der Kreuzfahrerkirche werden völlig zerstört. Die von den Türken im Inneren der Ruinen entzündeten Feuer schwärzen die byzantinische Apsis und die Mauern der mittelalterlichen Kirche (Vincent & Abel, Emmaüs, Paris, 1932, S. 114, 142, siehe hier).
Ab Januar 1917 beginnen die Briten einen Feldzug, um die Kontrolle über Palästina zu ergreifen. Im Zuge ihres Vorrückens in Richtung Jerusalem nimmt die 232ste Brigade der 75sten Division der britischen Armee am 19. November 1917 Latrun und Amwas ein (P. Tavardon, Trappistes en Terre Sainte, Domuni-Press, 2016, Bd. 1, S. 316, siehe auch: http://alh-research.tripod.com/Light_Horse/index.blog/2066944/the-battle-of-amwas-palestine-18-november-1917-outline/).
Fotos von Amwas aufgenommen während des Ersten Weltkriegs von einem deutschen Aufklärungsflugzeug aus.
Quelle: Bayerisches Hauptstaatsarchiv
Blick auf Amwas vom Hügel des Römerlagers (heutiges Museum Yad Le-Shiryon), Anfang 20. Jahrhundert
Foto von Ecole Biblique